Zauberhaft mystische Natur, tausendjährige Kulturgeschichte, Tradition in Harmonie mit neuen Trends – dafür steht die autonome Provinz Trentino, die bis 1919 als „Welschtirol“ zur österreichisch-ungarischen Monarchie gehörte. Der Grenzverlauf der Region im Herzen der italienischen Alpen, die von Südtirol im Norden bis zum Gardasee im Süden reicht, gleicht einem Schmetterling, dem heutigen touristischen Markenzeichen.
Er mag die freie Natur verkörpern, die mit unzähligen Outdoor-Erlebnissen aufwartet. In der Bergwelt, reich an vielen 3000er-Gipfeln, und auch zu Wasser. „Wegen unserer 297 Seen werden wir auch als das Kleine Finnland bezeichnet“, lässt Cinzia Gabrielli vom Trentino Tourismus wissen. „Etwas weniger bekannt sind wir für unsere kulturellen Schätze.“ Vielleicht mag dies mit dem Charakter der Trentiner zusammenhängen, die sich in alpenländischer Manier eher etwas zurückhaltend präsentieren, wenn auch mit merklich mediterraner Note.
Einen der bedeutendsten Gründe zum kulturellen Auftrumpfen hat die Hauptstadt Trient, die als „Stadt des Konzils“ Geschichte schrieb. Dank ihrer Lage zwischen Mitteleuropa und den Mittelmeerländern tagten hier von 1545 bis 1563 die Geistlichen der katholischen Kirche, um nach der Reformation an Einheit und Erneuerung zu arbeiten. Dies gelang zwar mit mäßigem Erfolg, aber das architektonische und kunsthistorische Erbe aus diesem epochalen Ereignis und der insgesamt 800 Jahre währenden Regentschaft der mächtigen Fürstbischöfe von Trient prägen die Stadt bis heute.
Zu den zahlreichen Renaissancepalästen und Freskenhäusern – unter ihnen die wunderschönen Case Cazuffi-Rella nahe dem Dom – gesellte sich jüngst, als die Coronazeit zum Restaurieren genutzt wurde, eine kleine Sensation auf einem Privathaus: Just die beiden „Pestpatrone“, die Heiligen Sebastian und Rochus, kamen nach gut 500 Jahren wieder zum Vorschein.
Für den größten und wichtigsten Monumentalkomplex der Region, das Castello del Buonconsiglio, über Jahrhunderte Sitz der Fürstbischöfe, heißt es viel Zeit mitbringen. Den Bilderbuchblick von der venezianischen Loggia auf die Altstadt und das Etschtal darf man sich nicht entgehen lassen. Will man aber ganz tief in die Geschichte der Stadt eindringen, so tut sich mit dem Besuch der unterirdischen Stadt Tridentum 2000-jährige römische Vergangenheit auf.
Wenige Kilometer südlich von Trient finden sich keine augenscheinlichen Spuren der Römer, aber umso mehr aus der Herrschaftszeit der Serenissima. „Das venezianisch geprägte Städtchen Rovereto ist eine ganz andere Welt mit Erbe aus der Zeit der Aufklärung und des Wohlstands, der auf die Seidenproduktion zurückging“, erzählt Guide Martin Rossi. Der einstige Treffpunkt Intellektueller, Philosophen und Künstler – Wolfgang Amadeus Mozart gab hier sein erstes Konzert südlich der Alpen – steht bis heute für Weltoffenheit, Lebendigkeit und den besonderen Schick der Shoppingszene.
Das MART, eines der wichtigsten Museen zeitgenössischer Kunst Italiens, zieht Kulturinteressierte wie ein kleines Mekka an: Atemberaubend der spektakuläre Bau des Stararchitekten Mario Botta, der hier im Jahre 2002 auf stolzen 29.000 m2 seine Idee einer lebendigen musealen Kunst- und Begegnungsstätte unter 200 Tageslicht spendenden Dachfenstern verwirklichte. Eine wahre Entdeckung für Kunstfeinspitze bietet Italiens einziges Museum für Futurismus, das Kunsthaus von Fortunato Depero. Er machte zu seiner Zeit in der Werbeszene ganz schön Furore, unter anderem 1932 mit dem Design der kleinen kegelförmigen Campariflasche.
Tiefe Emotionen erfassen einen, wenn „Maria Dolens“, die größte freischwingende Glocke der Welt, in Friedensmission den Abend über Rovereto, der im Ersten Weltkrieg bitter umkämpften Frontstadt, und dem Vallagarina-Tal einläutet. Sie tut dies täglich.
„Arte Sella“ vereint im etwas östlich gelegenen Valsugana-Tal Landschaft und Kunst in spektakulärer wie hintergründiger Symbiose. Hier in einem jahrhundertealten Waldareal drücken Künstler der „Landart“ ihren Dialog mit der Natur in monumentalen natürlichen Exponaten aus. Mit etwas Glück trifft man Art Director Emanuele Montibeller persönlich, zumeist ausgerüstet mit der Motorsäge. Er legt als einer der Gründer seit mehr als 30 Jahren mit viel Herzblut auch gerne selbst Hand an.
Um all das Schöne zu verdauen und noch die Krone aufzusetzen, mag man sich schließlich auf die Wander- und Bikeroute „Ponale“ nach Garda Trentino begeben. Die knappen fünf Kilometer gemütlichen Weges hoch über dem Wasser mit konstantem zauberhaften Ausblick lassen spätestens jetzt verstehen, was Goethe mit seinen Worten gemeint hat: „Ein köstliches Schauspiel, der Gardasee!“
Regina Rauch-Krainer