Erhaben ist der Ausblick von der Wallfahrtskirche von Castelmonte oberhalb von Cividale. Nach einer kurvenreichen Fahrt, die wahlweise über eine von zwei Straßen steil Richtung Himmel führt, erreicht man den Parkplatz des Bauwerks oberhalb von Cividale.
Von der auf einer Höhe von 618 Metern über dem Meeresspiegel gelegenen Kirche aus blickt man auf die Ebene vor Udine und die nahen Bergketten. Einige Gipfel sind slowenisches Staatsgebiet. Gelten keine Covid-19-Reisebestimmungen, strömen Pilger aus ganz Europa zu dem Santuario, einem der ersten im westlichen Christentum, nach der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom, die der Madonna gewidmet ist. Sonntags hat das Heiligtum, der Santuario Castelmonte, besonders viel Besuch. In den letzten Monaten ist es ruhiger.
Dieser Wallfahrtsort hat mehrere Gesichter. Er ist auch ein Rückzugsort. Elf Mönche leben hier. Um sieben Uhr in der Früh beten sie in der Klosterkapelle. An Sonntagen starten die Beichten oft schon um 7.30 Uhr. Von Montag bis Samstag zelebrieren die Mönche Messen um 10 Uhr, 11 Uhr und 16 Uhr. Sonntags sind die Messen um 8, 10 und 11.30, um 15.30 und 17 Uhr angesetzt. Die Mönche beten auch privat drei Mal am Tag.
Sie geben eine Zeitschrift heraus, versehen Dienst im Büro, wo es einen eigenen Schalter für Gläubige gibt, die hier Messen für Verwandte bestellen können. Der Prior arbeitet häufig im Wald, auf dem Gelände betreiben befreundete Familien der Mönche zwei Souvenir-Shops, zwei Restaurants, eine Bar und das Hotel „Pilgerhaus“ gibt es außerdem.
Im Santuario Castelmonte sind, wird betont, alle Menschen willkommen. „Für mich am beeindruckendsten war der Besuch muslimischer Jugendlicher, die mit einer Gruppe Juden und Katholiken hier Zeit verbrachten“, sagt Kapuzinermönch Paolo Cocco bei der Führung durch das Kirchenschiff. Wie neun weitere Mönche, die hier leben, stammt er aus dem Veneto.
Es waren Kapuziner aus Venetien, die sich im Jahre 1913 hier niederließen. Auf Bitte des Erzbischofs von Udine, in dessen Gerichtsbarkeit der Santuario zu dieser Zeit schon fiel. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts gehörte er zum Patriarchat Aquileia, dessen Auflösung die Habsburger gefordert hatten. Im 20. Jahrhundert gaben die Kapuziner dem Castelmonte (Burg am Berg) den jetzigen Namen. Davor pilgerte man zur Kirche Sancta Maria in Monte.
Erst ein Kapuzinermönch, der ein ausgebildeter Architekt war, gab dem Wallfahrtsort sein heutiges Aussehen. Die in den vergangenen Jahrzehnten stetig vergrößerte Anlage ist nicht im Besitz des Ordens, sondern der Diözese.
Der älteste urkundlich nachweisbare Teil der Anlage stammt aus dem Jahr 400 nach Christus: Soldaten wachten über die Straße von Aquileia, einen für das Römische Reich wichtigen Handelsweg. Sie errichteten zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert ein Militärlager. Bürger flohen vor den Einfällen der Barbaren aus dem Osten auf den Hügel hinauf. Sie dankten für den Schutz. Auch vor den gefürchteten Langobarden, die ab dem 6. Jahrhundert einfielen.
„Das erste Wunder war, dass die Langobarden, die sonst alles verwüsteten, Cividale nicht zerstörten. Da begann man mit Danksagungen an den Erzengel Michael. Sowohl die Langobarden als auch die christlichen Soldaten glaubten an ihn. Ihm ist die Krypta gewidmet“, erzählt Cocco bei der Führung durch die Kirche vor der Statue des Erzengels San Michele.
Die Kirche hingegen ist der Heiligen Jungfrau Maria gewidmet. Eine Legende besagt, dass die heilige Maria mit dem Teufel wettete: „Wer als Erster von der Teufelsbrücke in Cividale am Berg ist, dem gehört er!“ Beide sollen losgeflogen sein. Sie war schneller und der Teufel stürzte sich auf dem Weg zur Hölle die Schlucht hinab.
Als Marienwallfahrtsort war die Stätte geschichtlich belegbar ab dem 12. Jahrhundert in weiten Teilen Europas sehr beliebt. Im Jahre 1253 wurde die erste Überdachung an das bestehende Kirchlein gebaut, damit die Pilger vor dem Wetter geschützt waren. Ein Feuer zerstörte die Pilgerstätte im 15. Jahrhundert. Sie wurde wieder aufgebaut. Am 8. September 1479 wurde bei der großen Feier zum Abschluss des Wiederaufbaus die Marienstatue präsentiert, die man heute noch sieht.
Der Santuario Castelmonte hat auch eine sehr moderne, eine ganz spezielle, einzigartige Seite. Einige Wände der Kirche sind voll mit Danksagungen von Menschen, die schwere Unfälle oder Krankheiten „wie durch ein Wunder“ überlebt haben, oder deren Angehörigen.
Von Stephan Schild