Seit Mitte September ist das Örtchen Strassoldo auch offiziell als einer der schönsten Orte Italiens ausgeflaggt. Nach der Übergabe der speziellen Fahne durch den Bürgermeister der Gemeinde Cervignano im September wird in den beiden Schlössern von Strassoldo vom 16. bis 18. Oktober mit einem riesigen herbstlichen Künstlerfest unter dem Titel „Magische Herbstgewebe“ gefeiert. Wegen der Covid-19-Regeln findet abgesehen von den Hausführungen diesmal alles im Freien statt.
Über die neue Ehre, jetzt zu den 281 schönsten Burgdörfern Italiens beziehungsweise dadurch auch zu den 13 schönsten im Friaul zu zählen, freuen sich die Besitzer der beiden Schlösser im Zentrum von Strassoldo.
Raimondo Strassoldo lebt mit seiner Familie im unteren Schloss, dem Castello di sotto, und seine Cousine Gabriella Williams di Strassoldo bewohnt das obere Schloss, das Castello di sopra. Raimondo Strassoldo, pensionierter Professor der Universität Udine, hat die Pflege des 10.000 Quadratmeter großen Gartens übernommen, in dem er in den vergangenen Jahrzehnten eigenhändig Tausende Bäume gepflanzt hat.
Gabriella Williams di Strassoldo vermarktet ihr Schloss. Sie organisiert Events und Symposien, wie etwa jenes der internationalen in Wien ansässigen Atomenergiebehörde. Und sie vermietet auch an Touristen.
Neben schönen steinernen Apartment-Reihenhäusern mit Garten und Liegestuhl davor lässt es sich im Castello di Strassoldo auch in der Radetzky-Suite nächtigen. Hier wimmelt es nur so von altösterreichischer Geschichte. Allein der großpaneelige Parkettboden ist 500 Jahre alt.
Der österreichische Feldmarschall Radetzky hat in der Kapelle des oberen Schlosses im April 1798 Franziska Strassoldo geheiratet, die Schwester der Grafen Michael und Julius Cäsar Strassoldo-Grafenberg. Die Grazer Strassoldogasse ist nach dem Ururgroßvater der aktuellen Besitzerin des oberen Schlosses von Strassoldo benannt.
Michael Strassoldo-Grafenberg war Statthalter der Steiermark. Und so braucht es einen nicht zu verwundern, dass Gabriella Williams di Strassoldo, die britische Staatsbürgerin ist, ihre deutschsprachigen Gäste auf Österreichisch begrüßt. „Strassoldo war bis 1918 in Österreich. Mein Großvater, der wie der Uropa auch Julius Cäsar hieß, arbeitete vor dem Ersten Weltkrieg im Landwirtschaftsministerium in Wien. Als er nach dem Krieg nach Strassoldo zurückkehrte, galt er als Feind. Die Burg war geplündert worden. Meine Mutter heiratete am Ende des Zweiten Weltkriegs einen englischen Offizier aus Wales. Ich fühle mich als Europäerin“, sagt die charmante Gastgeberin, bei einem Kaffee im Salon, in dem auch ein schwarzes Piano steht.
Als Studentin hat sie in Klagenfurt bei der Bank für Kärnten mehrere Monate lang ein Praktikum absolviert. Zurück in Italien hat sie das Schloss und die dazugehörenden Häuser in den vergangenen Jahrzehnten komplett saniert. Das habe jede Menge Herzblut gekostet.
„Es ist mein Lebensprojekt. Dadurch, dass ich hier in meiner Kindheit die Sommer verbrachte, fühle ich mich diesem Ort tief verbunden“, erzählt Gabriella Williams di Strassoldo mit einem Blick auf die im Schloss hängende Ahnengalerie. Deren Bildnisse sind nicht gerahmt. Denn ihre Ururgroßmutter, Rosa Kuhn von Kuhnenfeld, Tochter von Feldmarschall Franz Kuhn von Kuhnenfeld, der unter Kaiser Franz Joseph I. als Minister fungierte, konnte sie auf der Flucht vor den Italienern nach Schladming nur dadurch retten, dass sie die Rahmen entfernte.
Von der Geschichte des Ortes selbst zeugt eine urkundliche Erwähnung aus dem Jahre 530. Es gab einen heute nicht mehr vorhandenen Turm. Die heute bewohnbaren Burgen erhoben sich um die Jahrtausendwende. Die Brüder Nicoló und Strassoldo bauten sie im 18. Jahrhundert aus und um.
Zu jedem Schloss gehört eine Kapelle. Die des oberen Schlosses wurde zur Kirche San Nicoló für alle Kirchengeher ausgebaut. Sie bildet ein ortskernartiges Element. Sonntags finden dort nach wie vor Messen statt. Also kann man täglich auch unangemeldet durch das vom Fluss Taglio begrenzte Gelände spazieren, das die Venezianer ursprünglich zur Festung ausbauen wollten. Aber schlussendlich entschieden sie sich für das nahe gelegene Palmanova. „Zum Glück!“, sagt die Schlossbesitzerin.
Von Stephan Schild