Ein kleiner Scherz zur Ablenkung und schon ist der Karabiner ausgeklinkt. Sofort saust man vom Berg Monte Ruke steil bergab in Richtung des Sees von Sauris (zu Deutsch Zahre). Rund 2,5 Kilometer lang ist die vor einem Monat eröffnete Guerillarutsche. Der Flying Fox (in Sauris trägt die Seilrutsche den Namen Zipline) ist laut Betreiber das längste Produkt dieser Art in Europa, das über einen See führt.
Aufgeteilt auf drei Stationen rutscht man zwischen Baumwipfeln bis zur Seequerung. Die Aussicht ist atemberaubend. Oben auf der Bergstation sieht man die umliegenden Berge. Dort bauen die Zipline-Initiatoren Slavica Ilic und ihr Mann, der italienische Bierpionier Sandro Petris, der das saurische Zahre-Bier braut, ein Holzhüttendorf zur touristischen Nutzung auf. Zusätzlich arbeitet Petris mit einer Firma zusammen, die auch Jeepausflüge auf die Almen rundherum, Ausritte und geführte Almgasthauswanderungen organisiert sowie Tagesbusausflüge, wenn das Wetter einmal den Tag am Berg vernebelt.
Der unter dem Berg gelegene See ist kristallklar und eine funkelnde Einladung zum Kanufahren, Stand-up-Paddeln oder Mieten eines Tretboots. „Anfang September hat der See bis zu 23 Grad und man kann dann an ein paar Tagen auch darin schwimmen“, erklärt Paola Schneider, Präsidentin des Hotelierverbands in Friaul-Julisch Venetien. Sie betreibt eines der Handvoll Hotels in der 400 Einwohner zählenden Gemeinde.
Ihr Riglarhaus wurde mit Saunalandschaft inklusive Blick auf die Berge – von denen der Monte Bivera (Vesperkofel) prominent hervorsticht –, Wellness-Raum, gemütlicher Stube und Restaurant neu aufgebaut, ohne die rustikale Tradition zu verbergen. Es gibt einige Zimmer und ein angehängtes Apartmenthotel neben der kleinen Dreifaltigkeitskirche Santissima Trinità.
Im Riglarhaus darf der Kachelofen nicht fehlen. „Einst war unser Haus das letzte, in dem man beim Auftrieb des Viehs auf die Almen etwas zu essen kaufen konnte. Nach dem Erdbeben vor rund 40 Jahren waren viele Häuser zerstört. Es gab die Entscheidung, entweder abzuwandern oder sich neu zu orientieren. Wir haben um- und aufgebaut“, sagt Schneider. Sie betreibt im Hotel auch ein Restaurant mit karnischen Spezialitäten: etwa mit Ziegenkäse gefüllte Cjarsons, die aussehen wie gekrandelte Schlutzkrapfen.
Gut sichtbar liegt im Restaurant ein Wörterbuch auf. Zwischen den italienischen und den aktuellen deutschen Begriffen stehen die des Zahrischen. Vieles davon versteht man, denn es waren Kärntner, die sich in Sauris im 13. Jahrhundert angesiedelt haben. „Wir fahren deshalb auch immer einmal im Jahr zur Pilgerkirche nach Maria Luggau“, sagt Schneider auf Zahrisch, in „de zahrar sproche“, einem mittelalterlichen Mittelhochdeutsch.
Bei der Verkostung des saurischen Almkäses, der frisch von den Sennern kommt, und des geräucherten Prosciuttos der Region liegt die Frage nahe, wie die Saison heuer gelaufen ist. „Der Verlust der Vorsaison in Mai und Juni, wo viele Urlauber aus Deutschland und Österreich kommen, ist nicht aufzuholen. Im August gibt es am Meer rund 60 Prozent Auslastung und am Berg 80 Prozent zu einem Normjahr“, so Schneider. „Hoffen wir, dass ein schöner Herbst Lust auf Wandern und Mountainbiken macht.“