Kelten, Römer, Langobarden, Venezianer – alle waren da, mehr als 60 Jahre lang (1797 bis 1859 ) auch die Österreicher – dennoch ist Brescia, Zentrum der gleichnamigen Provinz und mit rund 196.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt der Lombardei, hierzulande eine Unbekannte. Eine unbekannte Schöne, eine schöne Unbekannte.
Rundgang
Eine Annäherung fällt allerdings angesichts einer überschaubaren Altstadt nicht schwer. „Ohne Kaffee geht hier nichts“, bringt Massimo Ghidelli, Direktor der örtlichen Tourismusorganisation, ein starkes Argument vor, den Rundgang noch ein wenig aufzuschieben und stattdessen auf der Piazza della Loggia Morgensonne und Cappuccino zu genießen.
Mit Blick auf Orologio, eine astronomische Uhr, auf deren Spitze seit dem 16. Jahrhundert zwei Bronzestatuen die Stunden schlagen und das imposante Rathaus. Hier ließe es sich schon noch ein Weilchen aushalten, aber schon biegt Elisa um die Ecke, eine mit allen historischen Wassern gewaschene Expertin, die uns mit auf eine Reise durch die Jahrhunderte nimmt.
Weltkulturerbe
Der Ort, an dem das mühelos in kurzer Zeit gelingt, sind die Benediktinerklöster Santa Giulia und San Salvatore, in denen das Museo della Cittá keltische Waffen, Reste römischer Villen, die berühmte, längst zum allgegenwärtigen Wappenzeichen Brescias gewordenen Statue der Victoria, aber auch das, mit 212 antiken Gemmen geschmückte Kreuz des langobardischen Königs Desiderius, umgeben von prachtvollen Fresken, versammelt.
„Gemeinsam mit dem seit kurzem wieder zugänglichen Kapitol und dem Theater der römischen Siedlung Brixia wurden die Klöster im Jahr 2011 Unesco Weltkulturerbe. Darauf bin ich stolz“, sagt Elisa, bevor sie uns auf die kleine Anhöhe mit dem Castello begleitet und daran erinnert, dass der Widerstandsgeist - auch gegen die Österreicher – Brescia im 19. Jahrhundert den ehrenvollen Titel „Leonessa d’Italia“ (Löwin Italiens) eintrug. Heutzutage bewundert man von dort oben freilich die friedlich vor einem liegende Stadt mit ihren Kuppeln und Türmen.
Weil soviel Wissen und Geschichte irgendwann auch hungrig machen, steuern wir nun mit der Gelateria Bedussi einen kulinarischen Hotspot an. Dort serviert Francesco im Familienbetrieb seiner Eltern, Patrizia und Ermanno Bedussi, der in der aktuellen Ausgabe des Gambero Rosso als beste Cafè-Bar Italiens firmiert, nicht nur weithin berühmte Eiskreationen, sondern neuerdings auch mittags und abends eine kleine, aber feine Menüauswahl.
Beste Qualität
„Wir verwenden Rohmaterial in bester Qualität, vom Markt und kleinen Bauern in der Umgebung, soweit es geht in Bioqualität“, präsentiert der 28-Jährige als Vorspeise eine Etagere, auf der Kohlsprossen mit Dijonsenf, Foie gras auf Mandelcatalana, Mangoldschwämmchen mit Thunfisch oder Milchbrötchen, gefüllt mit Carbonaracreme zu einem bunten und schmackhaften Bild verschmelzen.
Die Zeit der Siesta, in die Brescia wie alle Städte Italiens bis zum frühen Nachmittag versinkt, nutzen wir für einen kleinen Ausflug in das nur eine halbe Autostunde entfernte Weinbaugebiet Franciacorta am Lago Iseo, wo die Erträge von rund 100 Weingütern mit insgesamt 2500 Hektar Rebfläche eine besondere Spumante-Spielart in die Gläser perlen lassen.
Geheimnis
Beschwingt geht es zurück in die Stadt, die uns mit vielen netten Boutiquen und Feinkostläden zum Einkaufen verführt. Bevor die Sonne untergeht, werfen wir noch einen Blick in das weite Innere des Duomo Vecchio, eine der schönsten romanischen Kirchen der Lombardei. Nicht weit entfernt, in der Via Calzavellia, komme ich dann spätabends noch einem Geheimnis auf die Spur.
Nach einer deftigen Jause mit Prosciutto, Polenta mit Lardo, Bagoss-Käse und weich dahinschmelzender Burrata weiht mich Savino Poffa, Padrone der Trattoria Mangiafuoco, in die Kunst des Risottokochens ein: „Butter und Reis, Gemüsesuppe, aber niemals Zwiebel, denn man soll die Hauptzutaten wie Pilze, Kastanien, Kürbis oder Schafkäse schmecken.“