Bei Vollmond soll man den Mond direkt aus dem Meer auftauchen und – wenn er dann hochgestiegen ist – doppelt sehen, weil er sich im Wasser spiegelt. „Einen Terrassenplatz für eine Vollmondnacht im Sommer buchen die Leute schon im Februar“, erzählt der Wirt der Osteria „Zio Salvatore“ im mittelalterlichen Siderno am Jonischen Meer. In seinem Keller lagern nicht nur Fässer mit Wein der Cirò- und Gaglioppo-Traube, sondern auch die Figuren für den „Tanz der Riesen“, der beim Dorffest aufgeführt wird.

Marco vom Kulturverein „Antico Siderno“ lässt das Organetto hören, das früher, vom Tamburello begleitet, für die Serenaden unter dem Fenster der Liebsten verwendet wurde. Marco singt auch die Calabrisella, spielt Lira und bläst die „Zampagna“ aus Ziegenhaut. Früher diente sie den Schäfern, heute wandert man in der Weihnachtszeit damit von Haus zu Haus. „Es ist unsere Geschichte, die wir wieder aufleben lassen“, sagt Marco. Ohne die Kulturinitiative wäre das Städtchen vielleicht auch schon ausgestorben wie die Paesi Fantasma, die Geisterdörfer im Nationalpark Aspromonte oder Pentedattilo, ein magisch anmutender Ort aus Höhlen und riesigen Steinnadeln, die sich in Form einer gigantischen Hand gegen den Himmel abzeichnen.

Romantik pur

Viele romantische Städtchen wie das mittelalterliche Gerace mit seinen Stadttoren, der Kathedrale und weiteren 79 Kirchen zeugen von der tausendjährigen Geschichte des landschaftlich berückend schönen Landes – aber auch von der Trostlosigkeit einer 25-prozentigen Arbeitslosigkeit. Doch die Menschen sind gastfreundlich. Jeder, der sich ins Hinterland der touristischen Küstenstädte wagt, kann dies entdecken, ebenso wie die schlafenden Schönheiten zwischen den zwei Meeren. Märchenhaft wie Dornröschen ist die „Cattolica“ von Stilo, die kleine byzantinische Kirche mit den fünf Kuppeln aus roten Ziegelsteinen, inmitten von Kaktusfeigen, Mandelbäumen, wildem Fenchel und Orchideen. Wild und ursprünglich sind die Bergrücken der Serre mit den Buchenwäldern, Steineichen und Riesenginster, den die Frauen früher eine Woche ins Flussbett legten und dann kochten, um daraus Säcke für die Esel zu machen. Nach dem Besuch der eiskalten Serra San Bruno, der Karthäuserklause mit 15 schweigenden Mönchen aus aller Welt, schmeckt in der „Fonda del Barone“ mitten im Wald die N’duja, die scharfe Streichsalami – lauwarm serviert – doppelt so gut.

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Fata Morgana

In Reggio Calabria soll man am „schönsten Kilometer Italiens“, der Strandpromenade, sehen können, wie sich die Küste von Messina zwischen Himmel und Meer spiegelt. Der Begriff Fata Morgana soll dort entstanden sein, weil die Fee Morgaine einem normannischen König Sizilien zum Greifen nah erscheinen ließ. Doch das Phänomen geschieht nur, wenn sich Meer und Luft nicht bewegen. Und das ist so selten, dass man ganz sicher wiederkommen muss.