Das Bild, das man von Jordanien hat, ziert fast jeden Reiseführer zum Land: Petra, die „rosarote Stadt, halb so alt wie die Zeit“, wie es ein Dichter einst formulierte. Und Petra allein wäre tatsächlich schon Grund genug, Jordanien zu bereisen - wäre da nicht noch ein anderes Bild vom Land: Jenes das sich bei einem Blick auf die Landkarte ergibt. Das haschemitische Königreich, das in etwa die Größe von Österreich hat, ist nämlich ein unmittelbarer Nachbar von Syrien und dem Irak. Diese Tatsache ließ den Fremdenverkehr, der für Jordanien eines der wichtigen wirtschaftlichen Standbeine ist, in den vergangenen Jahren dramatisch schrumpfen. Dabei hat sich für Touristen seit dem Syrien-Krieg nur eines maßgeblich verändert: Bei den Selfies vor einigen der größten Kulturdenkmäler der Menschheitsgeschichte stehen einem maximal ein paar echte Kamele im Weg, sonst hat man die ganze Pracht fast für sich allein. Und das islamische Land lehrt seine Besucher, wie das Miteinander der Kulturen tatsächlich funktionieren kann. Trotz einer gefühlten Überzahl von tief verschleierten Frauen in den Straßen zwischen Amman und Akaba am Roten Meer ist die Kleiderfrage für Ausländerinnen in Jordanien schnell geklärt: Erlaubt ist, was gefällt. Touristinnen mit ärmellosen Shirts und Minirock schlendern ganz selbstverständlich neben Einheimischen im Tschador, und kein Mannsbild regt das auf. „Jordanien ist das mit Abstand westlichste unter den arabischen Ländern“, sagt unser Guide Nasr, und wir geben ihm gerne recht.

Das Land hält aber noch ganz andere Überraschungen bereit: Vom Flughafen nahe Amman lohnt es sich nämlich, nicht gleich den direkten Weg nach Petra zu nehmen, sondern erst einmal einen Schwenk nach Norden zu machen: nach Jarash bzw. Gerasa, dem zwar nicht der Ruf eines Palmyra oder Petra vorauseilt, das mit seinen prachtvollen Säulenstraßen, Tempeln, Theatern und frühbyzantinischen Kirchen aber das vermutlich besterhaltene Beispiel einer spätantiken Provinzstadt im Nahen Osten ist.

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Weiter geht es dann nach Madaba, in die Stadt der Mosaike, etwa 35 Kilometer südwestlich von Amman, auf einem Siedlungshügel an der Königsstraße gelegen. Wäre auch wirklich schade, das berühmte Palästinamosaik aus dem 6. Jahrhundert in der Georgskirche nicht gesehen zu haben: eine Landkarte für Pilger, gefertigt aus ursprünglich geschätzten 2,3 Millionen Steinchen - voller heiterer Tier- und Pflanzenmotive. Wer zusätzlich noch auf Moses Spuren wandeln will, stattet auch dem Berg Nebo nahe Madaba einen Besuch ab, um hier, wie einst der Prophet, den perfekten Blick ins „gelobte Land“ zu haben. Die Kirche auf der Spitze des Hügels kam erst bei Ausgrabungen Anfang der 1930er zutage, bis dahin war sie unter arabischen Bauten vergraben. Das Highlight bei diesem Kirchgang sind die mehr als tausend Jahre alte Mosaiken, die Tiere, Jäger oder etwa das Weinkeltern zeigen.

Erlebnis Totes Meer - keiner geht hier unter...
Erlebnis Totes Meer - keiner geht hier unter... © Bachal

Als Ausgleich zu diesem Kulturprogramm empfiehlt sich dann ein Abstecher zum Toten Meer, wo Luxusressorts wie das Kempinski Hotel Dead Sea mit moderaten Preisen, die man in unseren Breitengraden für jedes bessere Hotel bezahlt, Spa-Bereiche der Sonderklasse bieten. Einmal ins Tote Meer muss einfach sein, auch wenn das trübe Nass, das sich leicht ölig anfühlt, kein Planschen erlaubt: Im Wasser mit 31 Prozent Salz- und Mineralgehalt empfehlen sich nur langsame, vorsichtige Bewegungen - weil jeder Tropfen Wasser einfach höllisch in den Augen brennt. Dafür kann man aber auch alle viere lustig aus dem Wasser strecken, ohne unterzugehen. Die hautpflegende Schlammpackung gibt's in dieser natürlichen Badewanne gleich inklusive.

Taucher und Schnorchler kommen am/im Roten Meer auf ihre Rechnung
Taucher und Schnorchler kommen am/im Roten Meer auf ihre Rechnung © KK

So karg Jordanien in dieser Gegend ist, in der das Salz jedes Leben im Keim erstickt, so bunt und vielfältig zeigt es sich im Süden, am Roten Meer. Zwischen rosa gefärbter Wüstenlandschaft auf der einen Seite und tiefblauem Meer voller Korallen und bunter Fische zeigt sich eine Gegend, in die man im wahrsten Sinne des Wortes abtauchen kann. Doppelt fein in diesem Land: Man muss sich nie langfristig und endgültig festlegen. Umplanen ist bei einem Jordanien-Urlaub keine Kunst, weil die Distanz zwischen Amman und allen Reisezielen, die sich lohnen, nie mehr als vier Autostunden beträgt.

© Sehen, staunen und dankbar sein.... - Petra bietet einen überwältigenden Anblick nach dem anderen

Dennoch: Petra, die unbestrittene Hauptattraktion des Landes, braucht Zeit, viel Zeit - und jede Sekunde davon lohnt sich. Schon der Weg durch den 1,2 Kilometer langen Siq, eine Felsschlucht mit fast senkrechten Wänden, die changierend zwischen Gelb, Rot und Dunkelgrau bis zu 70 Meter in die Höhe ragen und stellenweise bis auf drei Meter zusammenrücken, ist ein Erlebnis, das einfach nur glücklich und dankbar macht. Wenn dann das Rot des sogenannten Schatzhauses, der „Khazne Firaun“, wie ein Licht am Ende des Tunnels plötzlich durch den Felsspalt blitzt und man wenig später unvermutet mitten in der 2000 Jahre alten Stadt der Nabatäer steht, fühlt man sich wie in einer Märchenwelt. Märchen sind es freilich auch, die jahrzehntelang über Prachtbauten wie die „Khazne Firaun“ erzählt wurden - denn was auch immer dieses Gebäude war, ein Schatzhaus des Pharao sicher nicht. Über die tatsächliche Deutung und Datierung des Gebäudes wird bis heute heftig gestritten. Und es gibt hier noch viel, worüber die Wissenschaft streiten kann: Immerhin braucht es rund zwei Tage, um Petra mit offenen Augen zu durchwandern - dabei ist bis heute schätzungsweise nicht mehr als ein Prozent der Stadt freigelegt.

In "Petra Kitchen" kocht man sich sein Essen unter Anleitung von Küchenchef Ali selbst...
In "Petra Kitchen" kocht man sich sein Essen unter Anleitung von Küchenchef Ali selbst... © Bachal

Aber darüber unterhält man sich am besten bei einem Essen in „Petra Kitchen“, wo Chefkoch Ali den Restaurantbesuchern auch gleich die besten Rezepte der jordanischen Küche verrät. Zum Nachkochen - mit den vielen exotischen Gewürzen, die man in Akaba erstanden hat.