Unfreundlich, hohe Kriminalität, Schatten der Vergangenheit. Die Vorurteile bezüglich Chicago sind vielfältig. Und mancher Österreicher gibt der Stadt mit seiner Aussprache ("Tschikago") noch eine zusätzliche Härte mit. Doch die Zeiten, in denen Al Capone und skrupellose Gangsterbosse weltweit für Schlagzeilen sorgten, sind vorbei. Die Mordrate sinkt konstant und ist so niedrig wie seit 1965 nicht mehr. Auch der Mief, der der Stadt jahrelang nachgesagt wurde, hat sich verflüchtigt. Was übrig bleibt, ist eine Stadt im Glanz ihres Seins. Und dieses Sein mutet zwischendurch sogar fast als Schein an.
Ein Hochgefühl der Extraklasse
Surreal, beinahe zu perfekt präsentiert sich die Stadt am Südwestufer des Michigan-Sees. Doch genau diese Mischung ist es, mit der Chicago besticht: ein Mix aus Neuem und Altem, Natur und Highway, Kunst und Kultur, einer Vermischung aus amerikanischer Großstadthektik und europäischer Gemütlichkeit. Ein Spaziergang zwischen den unzähligen Hochhäusern, die sich blank geputzt in der Sonne spiegeln, führt einen schnell zu jenem Turm, der alles überragt: Der Willis Tower – besser bekannt als Sears Tower – war bis 2013 das höchste Gebäude der USA und wurde erst durch das One World Trade Center in New York abgelöst. Im 103. von 108 Stockwerken und 412 Meter über dem Boden blickt man über die Skyline von Chicago. Einzig der "Loop", die Hochbahn im Zentrum und eines der meistfrequentierten Verkehrssysteme in den USA, erscheint im Gegensatz zur Moderne der Stadt veraltet und etwas verdreckt. Dennoch: Trotz der Wolkenkratzer und der Metro auf dem Stahlgerüst überrascht Chicago mit der Natur und den Freizeitmöglichkeiten. Kleine und große Parks inmitten der Stadt, Straßen, die von Blumen und Bäumen umgeben sind, laden zu Spaziergängen im Grünen mitten in der 2,7-Millionen-Metropole ein.
Im Zentrum kann man problemlos zu Fuß von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten bummeln, Bänke rund um den berühmten Buckingham-Brunnen laden zum Verweilen ein. Da fällt einem auch nicht auf, dass nur wenige Meter weiter Hunderte Autos auf einem mehrspurigen Highway fahren. (Paddel-)Boote bevölkern den Chicago River, der quer durch Downtown verläuft. An den Ufern tummeln sich Läufer und Radfahrer, Menschen sitzen und lachen in Lokalen oder Pubs am Fluss. Und da kann es auch leicht passieren, dass einen das Gefühl europäischer Gemütlichkeit überkommt und man gerne länger bliebe. Übrigens: Amerikaner sprechen die Stadt "Schikago" aus – keine Spur von Härte.