Petrus – oder wie der Wetterzuständige da oben auch immer heißen mag – ist erst einmal nicht auf unserer Seite. Es regnet aus vollen Kübeln, sogar die Kühe auf dem Weg zur Hütte schauen betropft drein und denken wahrscheinlich: Das geht auf keine Kuhhaut mehr. Der Bauer hat gottlob die Photovoltaik-Stromanlage per Aggregat unterstützt. Herbsttage im Sommer – Petrus hält anscheinend wenig von meteorologischer Kalendertreue.
Aber: Eine Almhütte wird auch bei Nasswetter schnell gemütlich. Etwas Zeitungspapier, ein paar Späne und den Anzünder in den Herd, schon lodern die ersten Flammen und ein paar Scheite Lärche und Fichte erzeugen hüttenintern bald sommerliche 25 Grad. Dann werden die Bücher ausgepackt, ein Gläschen Wein darf auch nicht fehlen und das Himmelbett präsentiert sich perfekt power-nap-tauglich. Die Regennebel vor den Fenstern entbinden erst einmal von allen Wanderplänen.
Almhaus mit Annehmlichkeiten
Es ist nicht unser erster Urlaub auf einer Kärntner Almhütte. In Heiligenblut, am Hochobir, im Drautal haben wir die entspannende Wirkung dieser so individuell ausgestatteten Hütten und Almhäuser von Urlaub am Bauernhof schon genossen, jetzt ist die Anderle Almhütte auf der Hochrindl in den Nockbergen das Ziel.
Die Hütte der Familie Reiner war früher einmal ein Stall, hier erholten sich also Kühe vom Muhen des Alltags. Bis zu sechs Personen finden auf zwei Ebenen Platz, Warmwasser fürs Bad wird Gas-durchlauferhitzt, Photovoltaik liefert Strom für Licht, Kühlschrank, Wasserkocher und Handyakkus, hat aber begrenzte Speicherkapazität.
Die Hütte liegt ideal. Einerseits völlig allein mit traumhafter Aussicht, andererseits nur 15 Gehminuten vom Ort Hochrindl mit Minimarkt und guter Gastronomie entfernt. Wanderwege ab Hütte gibt’s (bei bald besserem Wetter) für mindestens eine Woche Aufenthalt – etwa unbeschwerlich zum Weißen Kreuz, selektiver auf den Speikkofel oder zum Lattersteig, über grasweiche Waldwege bergab nach Deutsch Griffen (und retour per Go-Mobil), landschaftlich bezaubernd durch den Gurkgraben nach St. Lorenzen, wo wir uns im Gasthaus Pertl bei Eiern mit Speck und hausgemachten Kasnudeln stärken.
Schwammerl und Schmarrn
Zuvor war im Gurkgraben Schwammerlernten angesagt – neben dem Weg leuchtete es unverschämt gelb aus dem Wald, die Beute wird in der Hütte zur Schwammerlsuppe und später zu gerührter Polenta mit Eierschwammerl verkocht. Schmeckt vom Holzherd besonders gut.
Apropos Kochen: Hüttenurlaub will geplant sein. Die Küche ist gut ausgestattet, Lebensmittel, Getränke und Gewürze haben wir wohl für drei Wochen dabei, fehlt doch etwas, bestellt man es bei der freundlichen Besitzerin des Minimarktes. Nur selber Kochen ist aber eh nicht klug – dazu sind die Marillenknödel der Herzl-Hütte oder der Kaiserschmarrn des Gasthof Sternenberg einfach zu gut. Gasthäuser können hier gut überleben, weil die Hochrindl im Winter als kleines, familiäres Skigebiet reüssiert.
Allerdings – so beklagt sich Bauer Hubert Reiner – machten Großgrundbesitzer mit Eigenjagden dem Tourismus mit Verbotswünschen zunehmend das Leben schwer, ein geplantes Hotelprojekt sei in der Schwebe, vor allem das Skigebiet würde aber zwecks Weiterbestand dringend mehr Gäste benötigen.
Das kümmert in einer Almhütte allerdings wenig. Da fühlt man sich als Aussteiger, die Zeit vergeht mit aktivem Seelebaumeln, Schwammerlsuchen, Einheizen inklusive Holzhacken, Kühebeobachten, Nachthimmelbestaunen und Wandern.
Den Fernseher haben wir keine Minute vermisst, allerdings befindet sich die Anderle Almhütte in guter LTE-Internet-Reichweite, womit Netflix & Co im Bereich des Möglichen liegen und das E-Paper der Kleinen Zeitung jeden Almtag eröffnen darf.
Heinz Grötschnig