Der Balkan kennt deutlich mehr Variationen von Milchprodukten – und es ist erstaunlich, dass fast alle von ihnen für das Zubereiten einer Gibanica verwendet werden. Zumindest, wenn es nach der Großmutter von Slobodan Radeta geht. Er betreibt die Kochschule „Il Primo“ in Belgrad und bereitet mit seinen Gästen traditionelle Gerichte zu. „Nicht am Schlagobers sparen. Nein, schon gar nicht beim Kajmak! Und ja, das Joghurt und der Käse gehören auch noch hinein“, ermuntert er die Lehrlinge tatkräftig, die skeptisch hauchdünne Teigblätter in die hochkalorische Masse tauchen.
Eine Stunde im Backrohr später wissen wir, untermalt von herzhaftem Knuspern – Slobodans Oma hatte recht. Die Zutaten zum Kochen kauft er wie viele Belgrader auf dem Markt: „Viele können sich die Preise in den Supermärkten nicht leisten, deshalb gehen sie dort einkaufen“, sagt der Koch-Autodidakt – sie sind bis heute der Bauch von Belgrad. Tipp: unbedingt gustieren gehen.
Narben - und was sie überdeckt
Die Narben auf ihrer Haut trägt die Hauptstadt Serbiens offen zur Schau. Das Gebäude des „Generalstabs“ aus den 1950ern berichtet noch heute vom Nato-Bombardement Belgrads 1999. Abgesehen von den wichtigsten Straßen der Altstadt – wie der Kafanameile Skadarlija – rieseln an so manchem Gebäude die Fassaden leise vor sich hin. „Jedes Jahr werden 200 renoviert“, erklärt Tourguide Simonida. „Die Stadt deckt dabei 85 Prozent der Kosten, den Rest bezahlen die Hausbesitzer.“
Auch wenn noch viel Farbe auf Fassaden gestrichen werden muss, sind etliche Hauswände bunt. Sie bilden Leinwände für eine Künstler-Generation, die während der Balkankriege aufgewachsen ist. Sie sind auch der grüne Rasen, auf dem die Fans der Fußballklubs Roter Stern und Partizan ihre Rivalität pflegen. Und nicht selten stehen auf dem bröckeligen Putz auch politische Parolen – aber meist werden diese schnell übersprüht. Eine Tour mit einem Guide, der die Geschichten hinter den Bildern erläutert, sei wärmstens empfohlen.
Tesla und die neue Waterfront
Auch wenn man keinen einzigen im Straßenverkehr ausmachen kann, ist man in der Stadt von Tesla. Nikola Tesla. Nach dem genialen Erfinder ist der Flughafen benannt, ein Museum – inklusive seiner Urne, seinem Nachlass – ist ihm gewidmet, Restaurants, Cafés, Discos, ein Springbrunnen und sogar ein Escape-Room tragen seinen Namen. Wie die meterlangen Blitze bei der Hochspannungsvorführung zu seinen Ehren entlädt sich übrigens auch das Nachtleben. Einfach sagenhaft!
Wo die Save in die Donau mündet, hält die Belgrader Festung seit dem 15. Jahrhundert Wacht. Und sie hat auch den Baufortschritt der „Belgrade Waterfront“ fest im Blick, die, finanziert von Investoren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, das moderne Zentrum der Stadt inklusive Wolkenkratzer werden soll. Aber die alten Uferpromenaden, sie werden reizvoller bleiben.