Alta Badia. Ein klingender Name, der all jenen vertraut ist, die wissen, was ein Skiweltcup ist. Kniffliger wird es schon, wenn es um die Verortung dieses Skigebietes geht. In den Dolomiten, jawohl, und zwar inmitten majestätischer Felstürme, von der Unesco zum Weltnaturerbe geadelt. Aber Südtirol? Ja, doch. Und zwar in einem besonderen Teil dieser mehrsprachigen Region mit ihrer so wechselvollen Geschichte.
Dort, wo das Ladinische, eine romanische, auf dem Lateinischen basierende Sprache, und die Ladiner zu Hause sind. Ladinien ist eine eigene Welt im ohnehin facettenreichen Südtirol, sprachlich wie kulturell. Beheimatet sind die Ladiner in den Tälern um den Sellastock, ein zentrales Gebirgsmassiv, und im Becken von Ampezzo, aufgeteilt auf die Provinzen Bozen, Trentino und Belluno. 30.000 Dolomiten-Ladiner leben in dem rund 1200 Quadratkilometer großen Gebiet. Bekannteste Hochburg Ladiniens ist Cortina d’Ampezzo.
Zurück nach Alta Badia, auf Deutsch Abtei. Eine Perlenreihe touristisch geprägter Ortschaften durchzieht das Tal samt Seitensträngen: La Val/Wengen, Badia, La Villa/Stern, San Cassiano/St. Kassian, Corvara/Kurfar und Colfosco/Kofuschg.
Spuren im Schnee
G‘führiger Schnee, blauer Himmel, im Sonnenlicht hell leuchtende Berge: Höchste Zeit sich die – nein, nicht Alpinskier, sondern die Langlaufski anzuschnallen. Im Langlaufzentrum Armentarola bei St. Kassian überzieht ein Netz an sonnengetränkten Loipen die Landschaft. Die sanftmütige Weite des Tals offenbart sich den Langläufern in Form eines weißen Teppichs. Acht Routen stehen zur Auswahl. Am Start- und Zielpunkt befindet sich ein Servicezentrum. Giorgio von der Langlaufschule hilft auch Fortgeschrittenen bei der Perfektionierung ihres Stils.
„Langlaufen“, erklärt uns Nicola vom Tourismusbüro, „ist hier ein Geheimtipp.“ Schon klar: Skifahren im Winter, Wandern und Radfahren im Sommer sind die beliebtesten Aktivitäten. Flankiert wird unser Gespräch von der 3064 Meter hohen Conturinesspitze, Hausberg von St. Kassian, dessen Wand sich spektakulär und bei Sonnenuntergang in voller Farbpracht himmelwärts zieht.
Kulinarisch wertvoll
Kulinarisch ist Alta Badia gleichermaßen hochklassig wie als Wintersportgebiet. Dafür ist das Après-Ski nur verkümmert ausgeprägt, kein Schaden, wie wir meinen. Chefkoch der Region ist Norbert Niederkofler, als erster Südtiroler dreifach besternt. Wir lassen ihn und sein edles St. Hubertus links liegen und geben ursprünglich bäuerlich-ladinischen Speisen den Vorzug.
Über verschlungene Pfade geht es zum Hof Ruac/Alfarëi, eines der ältesten Häuser der Region. Von außen als Lokal nicht erkennbar, eröffnet sich ein uriger Gastraum, in dem Sepl, Mama Rosa und Vater Tone etwa Turtres mit Gerstensuppe servieren – in heißem Öl herausgebackene Teigtaschen, mit Spinat, Topfen oder Sauerkraut gefüllt. Typische Schlutzkrapfen fehlen ebenso nicht, gefolgt von Knödel und Polenta mit Gulasch. Mahlzeit!
Reim aufs Schüttelbrot
Ein gutes Stück Tirol, eine Prise bella Italia, gewürzt und abgeschmeckt mit ladinischen Eigenheiten: Das Rezept prägt Alta Badia kulinarisch-kulturell. Die Annäherung an die ladinische Kultur wird erleichtert, seit die Initiative „Nos Ladins – Wir Ladiner“ Gästen Blicke hinter die Kulissen gewährt. Im Winter öffnen eine Reihe von Persönlichkeiten die Tore, um ihre Lebensweisen zu vermitteln. Protagonisten dieses Projekts sind etwa ein Jagdaufseher, ein junger Sommelier, zwei Pistenraupen-Fahrer, eine Ziegenzüchterin, ein junger Weber und ein Bergführer.
Wir aber besuchen Nikolaus, der uns in die Geheimnisse eines ortstypischen Gebäcks einweiht. Nicht nur das: Wir dürfen sogar unser eigenes Schüttelbrot backen. Dafür geht es von St. Kassian hoch hinauf zur Bäckerei Seppi in Corvara/Kurfar. Ab 23 Uhr steht Juniorchef Nikolaus mit seinen Leuten in der Backstube, um das Tal mit Gebäck zu versorgen. 200 bis 300 Schüttelbrote entstehen hier jede Nacht.
„Jeder Bäcker hat sein eigenes Rezept“, sagt Nikolaus, und verrät uns seines: Er verwendet Roggen- und Weizenmehl, Salz, Sauerteig und Malzextrakt als natürliches Backmittel, dazu Gewürze – Kümmel und Fenchel – und etwas warmes Wasser. Die Rezeptur ist vom Vater überliefert. Der große Vorteil des trockenen Schüttelbrots ist die lange Haltbarkeit.
Ladinien sei beim Brotbacken „mehr Deutsch als Italienisch“, erklärt Nikolaus, der seine Bäcker- und Konditorlehre in Brixen absolvierte. Bei ihm daheim spricht die Familie Ladinisch, in der Schule wird übrigens paritätisch Deutsch und Italienisch und nur zwei Stunden Ladinisch unterrichtet.