Zeig mir deine Toilette und ich sage dir, wie du kochst – dieser Spruch ist ein wertvoller Ratgeber, vor allem auf Reisen. Der Blick ins stille Örtchen am Reiterhof von Doris Loderer und ihrer Familie eröffnet ganz neue Dimensionen. „In der dritten Box links“ lautet die Wegbeschreibung.
Quer durch den alten, aber gepflegten Stall gelangt man zum einfallsreichsten Porzellan an der nördlichen Adria in einer Pferdebox mit Schiebetür. „Wir hatten sonst keine Möglichkeit für einen Kanalanschluss“, erklärt Loderer achselzuckend. Improvisation ist in Italien alles. Im kleinen Örtchen Brussa mit 86 Einwohnern lebt die gebürtige Salzburgerin seit 2012 und sie ist die Einzige an der ganzen Adria, die offiziell ganzjährig – also auch im Sommer – „Reiten am Strand“ für ihre Gäste anbieten darf.
Der Natursandstrand in der Lagune zwischen Bibione und Caorle ist nur über eine einzige kleine Brücke erreichbar, grenzt an das Naturschutzgebiet Valle Vecchia und ist ein absoluter Geheimtipp fernab der bunten Sonnenschirmreihen.
Lebensgefährte Wolfgang Spornberger und Tochter Amelie sind selbst begeisterte Reiter und unterstützen Loderer, die sich hier ihren Traum erfüllt und vor knapp zehn Jahren ihren Job als Büroangestellte an den Nagel gehängt hat. „Wir sind hier in Brussa eine tolle Gemeinschaft, man hat mich als Österreicherin sehr nett aufgenommen. Nachbarschaftshilfe wird hier großgeschrieben“, erzählt sie. Und auf einem Pferdehof ist diese auch nötig.
Die Gäste, die mit ihren Pferden vor allem aus Österreich und Deutschland kommen, merken davon freilich wenig. „Man kann mit seinem eigenen Pferd anreisen oder hier mit unseren gut trainierten Leihpferden im Rahmen von Touren an den Strand reiten“, beschreibt Loderer.
„Viele bringen uns ihre Pferde zur Kur. Weil die Meeresluft heilsam bei Lungenproblemen ist – wie beim Menschen eben auch“, fügt Spornberger hinzu. Die meisten lieben es aber, mit dem Pferd das einzigartige Naturerlebnis am Strand zu genießen. Grundsätzlich muss man für diesen Spaß aber nicht nur reiten können, sondern auch sattelfest im Gelände sein. Reitkurse gibt es hier keine.
Dafür aber eine Menge Alternativangebote. „Natürlich kann man durch das wunderbare und vielfältige Naturschutzgebiet wandern. Naturfotografen haben hier ihre helle Freude. Aber viele Männer, die nicht reiten, machen sehr gerne einen Ausflug in die Brauerei nebenan“, verrät Loderer mit einem Augenzwinkern. Die Biermanufaktur B2O bietet Verkostungen und Führungen an.
Der Genuss kommt in Brussa sowieso nicht zu kurz. Im Agli Alberoni kann nicht nur nahe dem Reiterhof in schönen Zimmern genächtigt werden, die Fischgerichte des Restaurants sind weithin bekannt. Vor dem Ai Gabbiani kann man sogar sein Pferd festmachen und eine sensationelle Pizza genießen.
In der Trattoria Mazarack hat man die Qual der Wahl allerdings schon bei der Anreise: Mit dem Auto, dem eigenen Boot oder dem Kleinflugzeug – direkt beim Restaurant gibt es eine Landebahn.
Und wer jetzt denkt, die Romantik, mit dem Pferd über den Strand zu reiten, kann man nicht toppen – weit gefehlt: In den hübschen, mitsamt Koch mietbaren Casoni, den traditionellen Fischerhütten der Region, wurde mitten in der Lagune auch schon so manche Hochzeit gefeiert.
Von Claudia Lux