Nähert man sich dem stolz auf einem Hügel thronenden mittelalterlichen Karstdorf Stanjel, so ahnt man schon von Weitem: Da tut sich Besonderes auf! So als hätte man der kargen Landschaft ein Krönchen aufgesetzt, dessen Charme man sich schwer entziehen kann. Einmal oben im Kleinod auf 312 Meter Seehöhe angekommen, besticht sofort die außergewöhnliche Aura, die diesen Ort umgibt.
Ist es die Stille, die Beschaulichkeit, das Gefühl der Echtheit, der Einfachheit, oder die Langsamkeit, die einen plötzlich zu überkommen scheint? Es ist all das und noch mehr! „Ich habe mir hier vor vielen Jahren ein Haus gekauft mit der Absicht, eine kleine Bar zu eröffnen, wenn die Zeit für den Slow-Tourismus reif ist“, erzählt der Laibacher Igor. Es ist so weit. Mit Freuden serviert er Gästen auf der Terrasse der „Panorama Bar“ den Karstwein Teran – sensationeller Ausblick inklusive.
Ein Spaziergang durch die wahrscheinlich älteste Siedlung des Karsts mutet wie eine Zeitreise an. Die traditionellen Häuser mit ihren steinernen Regenrinnen säumen die engen (autofreien!) Gassen, durch die seit Jahrhunderten der typische raue Fallwind Bora bläst. Sie lassen viele alte Geschichten ihrer Bewohner erahnen.
In der ethnologischen Sammlung des ältesten Karsthauses im Ort lässt sich dazu Genaueres erfahren. Der riesige mittelalterliche Burgkomplex, einst imposantes Bollwerk in kriegerischen Zeiten, scheint mit Vergangenheit und Gegenwart längst Frieden geschlossen zu haben. Heute beherbergt er in seinen toprenovierten Teilen Attraktives für Gaumen und Kunstsinn. Die stylische Vinothek gibt alles her, was die köstlichen Trauben des Karsts hervorbringen. Einen Überblick über das Werk des bedeutenden slowenischen Malers der Nachkriegszeit, Lojze Spacal, bietet die nach ihm benannte Galerie.
Diese raue, steinige, vom Wind gepeitschte und an Wasser arme, etwas mystische und überaus inspirierende Region fesselte auch den hier beheimateten k. u. k. Architekten Max Fabiani. Der slowenisch-italienisch-deutschsprachige Kosmopolit zog einst aus, um große Karriere in der Donaumonarchie zu machen. Er baute unter anderem die bekannte Urania in Wien. Mitte der Dreißigerjahre kehrte er 52-jährig in seine Heimat zurück und revitalisierte als Architekt und Bürgermeister „sein“ Stanjel.
Dem Erfindergeist gelang es zwar nicht, wie er wollte, Bergluft nach Mailand zu bringen, aber dafür das begehrte Mangelgut Wasser nach Stanjel. Und dies in höchst gelungener Gartenarchitektur. Der pittoreske Ferrarigarten entzückt als grünes Ensemble der Zierde, gespickt mit ausgeklügelter Funktionalität. Ein hübscher See mit Wasserspielen, ein orientalischer Aussichtspavillon als Schattenspender über einer Grotte, die als Eiskeller diente, Aussichtsterrassen sowie eine Kirschbaumallee harmonieren wunderbar miteinander. Wie sehr dies Paare tun, können sie auf der romantischen venezianischen Brücke prüfen.
Atemberaubendes erwartet gehfreudige Spurensucher beim ehemaligen Geburtshaus Fabianis im Nachbarort Kobdilj. Der uralte Maulbeerbaum inmitten des traumhaften Anwesens ist Zeuge aller Fabiani-Generationen, die über 400 Jahre hier lebten. Die heutigen Besitzer, Familie Malgaj, machten aus dem Gut ein Juwel: „Es war Liebe auf den ersten Blick. Das gibt uns die Kraft, den großartigen Bestand des Fabiani-Gutes originalgetreu zu revitalisieren“, erzählt die Architektin Blanka Malgaj.
Es gibt drei Möglichkeiten, diesen filmreifen Märchenplatz zu erobern: Man besucht die hiesige Ausstellung „Max Fabiani“, mietet sich als Gast in die Luxusbleibe ein oder am besten: Man heiratet in der wohl schönsten Hochzeitslocation Sloweniens – nach dem Harmonie-Check auf der Brücke des Ferrarigartens.
Von Regina Rauch-Krainer