Als der Lenker sein Auto nach kurvenreicher Fahrt hoch über Ugovizza/Uggowitz in der Gemeinde Malborghetto-Valbruna abstellt, ist es noch zeitig in der Früh, der später gut gefüllte Parkplatz ist nahezu leer. Im Schatten, den der Mischwald spendet, geht es in der erfrischenden Morgenluft flotten Schrittes auf die Feistritzer Alm. Nur die Sprache auf den Wegweisern verrät, mit welchem Fuß man in Italien oder Österreich steht – während der Corona-Grenzsperren muss das der Albtraum für Bürokraten gewesen sein.

Nach kurzer Stärkung folgt, vorbei am Almdorf mit seiner urigen Wirtschaft, das an der Grenze auf dem Feistritzsattel/Sella Bistrizza pickt, der finale stramme Marsch auf den Gipfel des Oisternig. Bestens verzinst die Entlohnung für die Mühen: Auf 2050 Meter Höhe wartet die grandiose Rundumsicht ins Alpen-Adria-Land. Unmittelbar vor den Wandersleuten erfreut der vertikale Blick ins Gailtal auf österreichischer und ins Kanaltal auf italienischer Seite. So fern – und doch so nah.

Der Monte Oisternig thront zwischen Kärnten und dem Friaul
Der Monte Oisternig thront zwischen Kärnten und dem Friaul © KK
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Beim Abstieg über den Lomsattel/Sella di Lom zwischen Vordernberg und Ugovizza stellen sich Fragen über Fragen – vor allem diese: Einkehren ins Rifugio Nordio-Deffar mit seinen köstlichen Spezialitäten oder doch erst später in eine der großartigen Lokalitäten der Kanaltaler Kommune? Wir entscheiden uns für beides und machen uns nach deftiger Frigga und delikater Pilzlasagne mit dem Auto auf den Weg ins nahe Hotel Saisera.

Das massive Haus im dreisprachigen Valbruna/Wolfsbach/Ovcja vas markiert, mit Blick auf den Montasch/Montasio, den Eingang zum reizvollen Seitental des Kanaltales, dem Val Saisera. Am Ortsrand radeln die Genießer auf dem Ciclovia Alpe Adria, der auf der aufgelassenen Bahnstrecke bis nach Venzone und weiter nach Grado führt. Im Winter gilt das Saiseratal mit seinen Hütten als Mekka für Langläufer aus dem Dreiländereck.

Valbruna liegt am Eingang des Seiseratals
Valbruna liegt am Eingang des Seiseratals © KK

Nicht immer ging es hier so friedlich zu. Das Saiseratal war eine blutig umkämpfte Frontlinie im Ersten Weltkrieg, ein Heldenfriedhof erinnert an diese dunklen Jahre. Das noch zu friedlichen kaiserlich-königlichen Zeiten zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtete Hotel Saisera mit seinen 26 Zimmern ist selbst ein Spiegel der höchst wechselvollen Geschichte dieses Landstrichs. Umgeben von 30.000 Quadratmetern Wiese hat es einen neuen Eigentümer, der nicht weniger will als die so unterschiedlichen italienischen Regionen Apulien und Friaul „zu verheiraten“. Wie das?

Vito Anselmi kam 1934 in der süditalienischen Region Lecce zur Welt. Mitte des vergangenen Jahrhunderts verschlug es ihn als Carabiniere nach Tarvis, später wechselte Anselmi, nach einem Zwischenstopp bei einer Bank in Udine, zum Zoll. Auch er ein wandelndes Geschichtsbuch: Mit den italienischen Truppen marschierte er 1954 in Triest ein, bis dahin „Freies Territorium“. Mit seiner Frau, einer Gymnasialprofessorin, und den drei Kindern lebte er in Tarvis.

Strampeln entlang des Alpe-Adria-Radwegs
Strampeln entlang des Alpe-Adria-Radwegs © KK

In der Grenzstadt schafft es der Sohn einfacher Bauern eines Dorfs am südlichsten Spitz des italienischen Absatzes in den 1980er-Jahren gar zum Bürgermeister. 1992 ging der Sozialdemokrat in Pension – und holte sich 1998, mit 64 Jahren, eine Steuernummer bei der Handelskammer. „Mir war langweilig – während meine Frau mit ihren Studien beschäftigt war, hatte ich nichts zu tun.“

So brach Vito Anselmi auf zu neuen Ufern, mietete bzw. kaufte das traditionsreiche Hotel Il Cervo in Tarvis und ein Albergo am Bahnhof. Und schließlich heuer das in Schwierigkeiten geratene Hotel Saisera, eine ehemalige Jagdresidenz, die selbst Könige beherbergt haben soll und im Laufe der Jahre Ferienglück in den Julischen Alpen für Familien gefallener Marinesoldaten möglich machte.

Vito Anselmi ist der neue Herr im Hotel Saisera und hat mit dem traditionsreichen Haus viel vor
Vito Anselmi ist der neue Herr im Hotel Saisera und hat mit dem traditionsreichen Haus viel vor © KK

Vito Anselmi hat viel vor, will ein Gourmet-Restaurant errichten und das Haus zum Treffpunkt für Italiener, Österreicher und Slowenen formen. „Ich sehe mich als junger 86-Jähriger, der ein altes Gebäude der österreichischen Monarchie wiederbelebt“, schmunzelt Anselmi. Es ist schließlich nie zu spät, Pläne zu schmieden.

Bei der Rückfahrt türmt sich vor uns der mächtige Monte Oisternig, der östlichste Zweitausender der Karnischen Alpen, auf. Nicht nur im Tal, auch oben am Berg sind die Spuren des Ersten Weltkriegs präsent: Alte Militärwege winden sich den Berg hinauf, unter dem Gipfel eine weitläufige Bunkeranlage. Was wir oben am Berg und unten im Tal erlebt haben, lehrt uns doch eines: Die wahren Grenzen sind nur in den Köpfen.

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