Die „Giardini“ sind kunstinteressierten Venedigbesuchern natürlich ein Begriff. Zur Architektur der Serenissima gehören aber auch 500 Privatgärten, die hinter hohen Palastmauern mit ihrer Schönheit geizen. Wie die Palazzi dienten auch sie dem Prunk und Wohlstand. Dabei mutet es wie ein Wunder an: Ausgesetzt dem Meer mit seinen Winden und dem Salzwasser, zudem war Süßwasser jahrhundertelang kostbare Mangelware und musste vom Festland in Fässern geholt werden.
Wer durch das Labyrinth der Lagunenstadt streift, entdeckt mit Blick nach oben viel verstecktes Grün. Zypressen, und Pinien überragen die Mauern, kleine Durchblicke gewähren Einblick in die blühende Pracht. Da diese nicht nur verborgen, sondern versperrt ist, erschließt sich erst durch die kundigen Führungen des Wigwam-Club „Giardini Storici Venezia“ der florale Reichtum Venedigs.
Die Gärten der Renaissance hatten zweierlei Aufgaben: Entweder waren es Lustgärten, in denen die Reichen und Schönen mit Maler und Dichter der Stadt eben lustwandelten, oder sie waren einer strengen botanischen Ordnung unterstellt. „Auf jedem venezianischen Schiff war ein Botaniker an Bord“, so Claudia Bonifaccio vom Wigwam-Club. „Sie brachten exotische Pflanzen an die Adria, die heute in unseren Gärten heimisch sind. Und sie importierten auch das Wissen um ihre heilende Wirkung“. So warf ein Garten mit Zitrusfrüchten, Sandelholz oder Zimt auch Erträge ab, nicht umsonst waren die „Speciers“ eine hoch angesehene Zunft. Von ihnen leiten sich Gewürz- und Spezialitätenladen ab, und auch die Apotheken.
Tizian und Giorgione verbrachten im Garten des Palazzo Contarini dal Zaffo ihre Mußestunden. Vom historischen Garten sind allerdings nur mehr Grundzüge vorhanden - eine Zeichnung des Landschaftsmalers Guardi ist Zeugnis von der einstigen Anlage. Und die Geschichte vom dort befindlichen „Casino degli Spiriti“ spricht Bände von seiner einstigen Berühmtheit: Um ungestört zu sein, wurde der Treffpunkt als Geisterhaus getarnt.
Ein Idyll ist das im heutigen Hotel Boscolo (Palazzo Rizzo Patarol) gelegene Grün. Als botanischer Garten angelegt, wurde er im 19. Jahrhundert nach freimaurerischen Werten mit Grotte, Brücke und gewundenen Pfaden umgestaltet und dient heute den Hotelgästen als exklusiver Spa.
Da die Steuern auf Paläste für manchen Besitzer unbezahlbar wurden, verdanken einige Gärten ihr Dasein deren Abbruch. Deshalb sind erstaunlicherweise auch am Canal Grande gärtnerische Juwele zu bewundern, wie der traumhafte, neue Rosengarten des Palazzo Malipiero Barnabo, der in Donna Leon-Filmen als Kulisse dient und einst Casanova für heimliche Stelldichein gedient haben soll. Venedigs höchste Palme und älteste Glyzinien befinden sich im Schatten des Palazzo Nani Bernardo, der nach dem Vorbild des Gartens des angrenzenden Ca’ Foscari (Sitz der Universität) errichtet wurde.
Susanne Koschier