Das hatte es noch gebraucht. „Wenn es so weitergeht, werden diese Urlaubsziele langfristig keine Zukunft haben“, twitterte der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach diese Woche unter dem Eindruck der Hitze Bolognas aus dem Italien-Urlaub. „Der Klimawandel zerstört den Süden Europas“, meinte der SPD-Politiker und entzündete eine diplomatische Mini-Krise.
Doch stimmt die Aussage? Seit Sommerbeginn stöhnt Südeuropa unter einer andauernden Hitzewelle mit Spitzenwerten jenseits der 45 Grad. Nach Monaten der Trockenheit kämpfen in Griechenland die Feuerwehren in Dutzenden Regionen gegen ausgedehnte Waldbrände.
Brennpunkt des Klimawandels
Umstände, die für Forscher nicht überraschend kommen. Sie fügen sich in die Projektionen des Weltklimarats IPCC, der im Vorjahr in seinem sechsten Sachstandsbericht feststellte: „Der Mittelmeerraum ist ein Brennpunkt des Klimawandels“ und durch die Folgen der Erhitzung „extrem verwundbar“. Bereits heute liegt die mittlere Temperatur rund um das Mittelmeerbecken um 1,5 Grad Celsius über vorindustriellem Niveau. Das Gebiet hat sich um ein Viertel stärker erwärmt als der Planet insgesamt.
Hitzewellen wie die derzeitige wären ohne den menschengemachten Klimawandel unmöglich, heißt es auch in einer gestern veröffentlichten Studie des Wissenschaftsnetzwerks „World Weather Attribution“. Extrem hohe Temperaturen über längere Zeiträume seien heute keine seltenen Ereignisse mehr.
Hitzewellen immer häufiger
Besonders in den europäischen Mittelmeer-Anrainerstaaten seien Dürren häufiger und intensiver geworden, ist im IPCC-Bericht zu lesen. Das wiederum führe zu günstigen Bedingungen für Waldbrände. Aufgrund dieser Zusammenhänge sei absehbar, dass der Mittelmeerraum für Tourismus weniger attraktiv werde, folgern die Forscher. Erwartet wird, dass die Waldbrände in den kommenden Jahrzehnten noch größere Gebiete vernichten werden – je nach Grad der globalen Erwärmung jährlich die doppelte bis fast dreifache Fläche.
Steigt die globale Erhitzung auf zwei Grad Celsius, dürften Hitzewellen wie die derzeitige statistisch alle zwei bis fünf Jahre auftreten, heißt es im gestern präsentierten Forschungsbericht. Trinkwasser wird rund um das Mittelmeer vielerorts zum knappen Gut. Für den Tourismus sind das nicht die besten Aussichten. Immerhin beherbergt die Mittelmeerregion rund ein Drittel aller weltweiten Urlauber.
Liebste Reiseziele der Österreicher
Der sonnige Süden steht bei österreichischen Urlaubern ungebrochen hoch im Kurs: „Italien, Griechenland, Kroatien – das ist bei uns einfach das Synonym für den klassischen Sommerurlaub“, sagt Max Schlögl, Geschäftsführer von Gruber Reisen. Aus den Buchungen ist für ihn keine Verschiebung in kühlere Gefilde ablesbar, genauso wenig wie für Branchenkollegin Andrea Springer, Geschäftsführerin von Springer Reisen. „Schönes, sonniges Wetter ist für Österreicher nach wie vor einer der wichtigsten Gründe, um auf Urlaub zu fahren.“
Dass die aktuelle Hitzewelle kein Hindernis darstelle, zeigten auch die heuer stark gestiegenen Buchungen für Sommerurlaub in Ägypten, wo die Temperaturen regelmäßig auf mehr als 40 Grad Celsius steigen.
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Erste, kleine "Ausweichmanöver"
In Relation zu den Gesamtbuchungen zwar noch kleine, aber doch ablesbare Trends ortet Ruefa-Chefin Helga Freund: Wer keine Kinder im schulpflichtigen Alter habe, weiche bereits vermehrt in Vor- und Nachsaison aus. „Gründe dafür sind sicherlich auch die geringeren Kosten und dass weniger los ist, aber auch die hohen Temperaturen im Hochsommer“, sagt Freund. „Man müsste darüber nachdenken, die Ferienzeit zu entzerren, damit auch Familien die Möglichkeit haben, auszuweichen.“ Derzeit tun sie das vermehrt auf Kreuzfahrten oder an den Stränden von Nord- und Ostsee.
Weitere kühlere Destinationen kristallisierten sich heraus wie etwa die Mecklenburgische Seenplatte in Deutschland, Südengland, Schottland oder Irland. „Und natürlich der Urlaub in Österreich.“
Urlaubssaison von Frühling bis Herbst
Daten der European Travel Commission (ETC) zeigen, dass die Zahl der Menschen, die heuer von Juni bis November nach Südeuropa reisen möchten, im Vergleich zu 2022 um zehn Prozent gesunken ist. Auch wenn Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland und Kroatien nach wie vor die gefragtesten Destinationen sind. „Die Daten zeigen, dass immer mehr Menschen den August als Hauptreisemonat meiden“, sagt Eduardo Santander, Executive Director der ETC.
Es könnte also ein positiver Effekt von Hitzewellen sein, dass sich Saisonen verlängern und sich die Besucher in überlaufenen Destinationen besser zwischen Frühjahr und Herbst verteilen.