Ob Clet Abraham tatsächlich in Apiranthos war? Die Indizien sprechen dafür. Oder vielmehr das Verkehrsschild am Beginn der Fußgängerzone des Bergdorfs im Osten der Kykladeninsel Naxos. Der Franzose hat es sich nämlich zur Aufgabe gemacht, solche Schilder zu verschönern und mit weiteren Botschaften zu versehen. Und so wird im Fall von Apiranthos aus dem Verbot der Einfahrt das Gebot der Gastlichkeit.
Die ist ohnehin unübersehbar, Cafés und Tavernen säumen zu beiden Seiten die schmale Hauptstraße, die mit dem auf der Insel abgebauten Marmor gepflastert ist. „Hier muss man den Orangenkuchen probieren“, sagt Inselguide Kostas. „Schaut, schaut, diese Aussicht!“ Mit der Lage auf dem Berg Fanari thront Apiranthos nämlich rund 650 Meter über der Ägäis.
Weiter ins Bergdorf Chalki
„Und dort kann man den besten Kitro kosten.“ Das Gedränge in der Destillerie Vallindrasin in Chalki, der einstigen Hauptstadt von Naxos, legt klares Zeugnis dafür ab. Der klare, gelbe oder grüne Likör aus Zitrusblättern, der sich Flasche an Flasche in den hölzernen Regalen reiht, ist eine der exklusiven kulinarischen Spezialitäten der Insel, die von der Landwirtschaft lebt und das Allermeiste, das auf dem Teller landet, selbst hervorbringt. Und eben auch so manches fürs Glas.
„Das ist mein Job im Winter“, sagt Kostas und zeigt auf das Geschäft schräg gegenüber, in dem seine Mutter Maria an einem Webstuhl sitzt. Seit den 1960er-Jahren hält sie gemeinsam mit anderen Frauen die Herstellung der traditionellen weiß, rot und blau gemusterten Stoffe hoch, die verarbeitet zu Schals, Gürteln oder Taschen an der Hausmauer hängen.
„Und dort gibt es den besten Honig und die besten Kräuter. Die Menschen kommen von weit her, um hier einzukaufen.“ Mehr als 80 Arten von Kräutern sorgen dafür, dass man das kleine Geschäft „Naxia Gi“ längst in der Nase hat, bevor man es erblickt.
Vom Zas zurück ans Meer
Abgestiegen aus dem bergigen Hinterland, dessen höchste Erhebung der 1000 Meter hohe Zas ist, hat Kostas keinen Erklärungsbedarf. In der windgeschützen Bucht von Mikri Vigla schillert es: Türkis, Dunkelblau, Azur, Gold – Strand, Meer und Himmel haben die Farbpalette gezückt. Während der Schönwetterwind Meltemi ein Stück weiter Kitesurfer in die Lüfte hebt, lockt die kleine Taverne am Wasser.
„Hier gibt es die besten Kartoffeln“, weist Kostas stolz auf die inseleigene Erdäpfelsorte auf der Speisekarte hin. Was ebenso wie die Erwähnung von naxischem Käse, frittiert als Saganaki, prompt in einer Bestellung mündet.
Am goldenen Band nach Naxos-Stadt
Wie ein goldenes Band geleiten die Strände Orkos, Plaka, Maragkas, Agios Prokopios und Georgios von Mikri Vigla nach Naxos-Stadt. Gerade hat eine mächtige Fähre am Hafen angelegt, begrüßt von der Portara, dem einzigen aufrechten Zeitzeugen des antiken Apollo-Tempels auf der vorgelagerten Halbinsel Palátia.
So schnell die angelandete Menschenmenge auf den Pier geströmt war, so schnell hat sie sich auch schon wieder verteilt, entlang der Promenade und im Gassengewirr zwischen den weiß getünchten, kubischen Häusern, die sich um die alte venezianische Festung auf dem Burgberg scharen. „Nehmt euch Zeit, es gibt viel zu sehen“, sagt Kostas. Und genau das tun wir jetzt.