Wir schreiben den 15. März 1936. Die weltbesten Skispringer tummeln sich in Planica, auf der schon damals größten Schanze der Welt. Der große Traum aller Anwesenden: der erste Flug eines Menschen über 100 Meter.
Und tatsächlich: Die Tiroler Legende Sepp „Bubi“ Bradl setzt im Auslauf bei 101,5 Metern auf. Es ist nur eine der vielen großen Sportgeschichten, die in Planica und deren näherer Umgebung geschrieben wurden. Die Siedlung mit einer Handvoll Einwohnern, eigentlich nicht mal ein Ort, sondern lediglich Ortsteil des Dorfes Rateče, definiert seine gesamte Identität über die Skisprunghistorie mit Weltrekorden, Sportlerdramen und Triumphen.
Nicht umsonst kommt man als Besucher hier ins berühmte „Tal der Schanzen“, im Dreiländereck Slowenien-Österreich-Italien gelegen, umrahmt von den Julischen Alpen im Süden und den Karawanken im Norden.
Der Traum vom Fliegen wird wahr
Auf der Westseite erhebt sich der Gebirgszug Ponc mit dem höchsten Gipfel der Visoka Ponca (2274 m), östlich der Ciprnik (1745 m) und der Sleme (1815 m), auf der Südseite die Mojstrovka (2366 m), der Travnik (2379 m) und der mächtig anmutende Jalovec (2645 m).
Inmitten der Bergriesen haben sich viele Skisprungstars den ewigen Traum des Menschen vom Fliegen erfüllt. Wie das Gefühl wohl so ist? Das kann man in Planica am eigenen Leib erleben, etwa per Zipline. Aber nicht nur irgendeine Zipline. Acht Minuten lang geht es zunächst mit dem Doppelsessellift bergwärts, oder besser gesagt schanzenwärts.
Steht man dann ganz oben am Schanzentisch und wagt den Blick in die Tiefe, keimen zwei Fragen auf: 1. Worauf habe ich mich da bloß eingelassen? 2. Wie verrückt müssen Stefan Kraft & Co. eigentlich sein, um das regelmäßig zu tun? Aber es hilft nichts, zurückziehen wäre ja peinlich: Also letzte Anweisungen des „Fluglehrers“ abspeichern und los geht’s mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 85 km/h über 566 m und 202 m Höhenunterschied runter über die Flugschanze. Nur so nebenbei: Es ist die steilste Zipline dieses Planeten.
Besuch im Windkanal
Ein Dutzend Adrenalinschübe gibt es zum Preis eines Einzelflugs von 29 Euro gratis dazu. Und den Traum vom Fliegen kann man danach von der persönlichen Bucket-List streichen, wenn man im Schanzenauslauf dieser spektakulären Anlage seinen Atem wiedergefunden hat. Pause macht die Zipline nur zwischen Mitte Februar und irgendwann im April, um Platz zu machen, wenn alljährlich im März zigtausende Fans und die Skisprungstars Planica zum großen Weltcup-Skiflug-Showdown überquellen lassen.
Um sich den Titel des Flugmekkas auch redlich zu verdienen, hat das unterm Jahr relativ ruhige slowenische Plätzchen aber noch mehr im Talon. Einen Windkanal im Nordijski center Planica etwa, und zwar nicht nur für die Spitzensportler, sondern für jedermann. Dreimal eineinhalb Minuten freien Flug bekommt man pro gebuchte Einheit. Ein Gefühl, das muss man selbst erlebt haben.
Wer sich eingehender für die über acht Jahrzehnte Skisprungsport an diesem geschichtsträchtigen Ort mit mehr als 40 hier erzielten Weltrekorden interessiert – auch die 200 m wurden übrigens erstmalig hier in Planica überflogen – wird im modern gestalteten Museum im nordischen Zentrum seine Erfüllung finden.
Kekec, Mojca oder Rožle kennenlernen
Wer Planica im Winter besucht, sollte die Gegend nicht verlassen, ohne Kekec, Mojca oder Rožle kennenzulernen. Das sind einerseits in Slowenien berühmte Charaktere aus der Feder des im 19. Jahrhundert hier in der Gegend geborenen Schriftstellers Josip Vandot, andererseits wurden die Lifte des Familienskigebietes im einen Steinwurf entfernten Kranjska Gora nach den Kinderbuchlieblingen benannt. 20 Pistenkilometer aller Schwierigkeitsgrade und knapp 20 Lifte lassen das Skifahrerherz höherschlagen. Geübte Athleten stürzen sich mutig über jene Steilhänge, auf denen die besten Skifahrer der Welt alljährlich im März im Skiweltcup um den Pokal Vitranc rittern – 2023 gastieren sie übrigens am 11. und 12. März in der slowenischen Skimetropole.
Die Wahrscheinlichkeit ist auch recht hoch, dass man bei den vielfältigen Sportmöglichkeiten in und um Planica irgendwelchen Weltstars beim Training über den Weg läuft.
Tanja Kovačič