32 vermummte Gestalten sitzen auf den alten Holzbänken, stehen unter der Empore. Sie sind in weiße Laken gehüllt, schweigen stets in stiller Andacht im flackernden Licht der Kerzen, haben ihre Blicke demutsvoll gesenkt – aber sie haben kein Gesicht, es klafft ein schwarzes Loch.
Nicht umsonst nennt man das kleine Gotteshaus im tschechischen Luková auch die Kirche der verlorenen Seelen. Dennoch spukt es in der St.-Georgs-Kirche, wie sie offiziell heißt, nicht. Vielmehr steht hinter der schaurigen Installation der Künstler Jakub Hadrava. Dabei ging es ihm aber nicht darum, Menschen zu erschrecken, sondern an Menschen zu erinnern: die sudetendeutsche Bevölkerung der Gemeinde, die jeden Sonntag das Gotteshaus besuchte und 1945 vertrieben wurde.
Als 1968 das Dach einstürzte, fanden dort keine Messen mehr statt und die in ihrer heutigen Optik ab 1800 im neugotischen und neuromanischen Stil erbaute Kirche wurde dem Verfall preisgegeben. 2014 begann Hadrava, mit seinen Gipsfiguren auf das Verschwinden der Bewohner aufmerksam zu machen. Denn dieses Problem hat nicht nur Luková, auch in vielen anderen Dörfern des Sudetenlands verfallen die verlassenen Gebäude.
Aber die Geister haben der Kirche auch über ihre bloße Anwesenheit hinaus neues Leben eingehaucht: Die gruseligen Figuren in dem alten Gemäuer ziehen Besucher an, durch deren Spenden konnten bereits einige Restaurierungsarbeiten durchgeführt werden. Und seither füllen sich die Reihen der Kirchenbänke auch wieder mit Gläubigen, die zwischen den Skulpturen Platz nehmen.