Von 200 auf 0. Es mutet tatsächlich wie eine Vollbremsung an, wenn man aus dem Schnellzug aus Belgrad kommend in Novi Sad aussteigt. Doch dazu später.
Hinter dem brandneuen Schienenstrang verbirgt sich ein geopolitischer Schachzug: Chinesische Investoren haben ihn gebaut, wie man in Serbien zu betonen nicht müde wird. Sicherlich nicht der letzte strategisch gesetzte Baustein dieser Art, aber längst nicht der erste: Die Stadt an der Donau war stets Mündung vieler Strömungen. Bis 1687 unter osmanischer Herrschaft, fällt die Errichtung der imposanten Festung Petrovaradin hoch über dem Wasser bereits unter die Regie der Habsburger in der Region Vojvodina.
Einen lauteren Kontrapunkt als das alljährliche, viertägige Exit-Musikfestival könnte man in diesem historischen, 122 Hektar großen Rahmen kaum setzen. Wenn die letzten Töne verklungen sind, hat es für die Experten des Burgbergs dann meist ein Nachspiel: „Unter der Festung gibt es riesige Katakomben, manchmal verschaffen sich Besucher Zugang, verirren sich und müssen dann gerettet werden“, berichtet Guide Simonida vom 16 Kilometer langen Labyrinth auf vier unterirdischen Etagen. Fazit: faszinierend – aber nur mit Fremdenführer.
Entspannt bei Tag, turbulent bei Nacht
Zurück zur eingangs angedeuteten Entschleunigung: In Novi Sad lässt man sich prinzipiell nicht hetzen. Das gilt für das Genießen der samtigen Schneenockerl in Vanillesoße in einer der Salaschen genauso wie für den Spaziergang im Donaupark oder beim Bummel durch die Altstadt, die einem Schmuckkästchen gleicht, aber kein verstaubtes Museum ist.
Das Rathaus am Freiheitsplatz wird Grazern übrigens bekannt vorkommen, da es architektonisch deutliche Anleihen nimmt. Und auch der Uhrturm auf der Festung mit seinen verkehrten Zeigern mag die eine oder andere Assoziation wecken.
Umso dunkler der Himmel über dem von Prachtbauten umrahmten Freiheitsplatz, desto voller wird er. Musik erfüllt die Straßen, die Lokale platzen aus allen Nähten, Epizentrum ist die kunterbunte Laze-Telečkog-Gasse, benannt nach einem Schauspieler, dessen Konterfei als Graffiti einen von einer Hausfassade grüßt. Und plötzlich wähnt man sich nicht mehr in einer Universitätsstadt mit rund 230.000 Einwohnern, sondern in einer Metropole.
Štrand und ein schwimmendes Häuschen
Hier gehts zum Štrand, verrät der Wegweiser. Der sandige Badeplatz an der Donau bietet einen tollen Blick auf die Freiheitsbrücke. Gegenüber liegt die grüne Fischerinsel, die einen in der Sekunde in Ferienlaune versetzt. Fischrestaurants, Tamburizza-Musik, Discos auf dem Wasser, auf einem Seitenarm schaukeln kleine Boote. Hier muss er sein, der Treffpunkt für die Donau-Tour.
Was als Katamaran angekündigt war, entpuppt sich als eine Art schwimmendes Holzhäuschen mit Terrasse, das Kapitän Aleksandar Ćirič über die Donau steuert. Die Musik groovt, das Bier im Kühlschrank ist nach dem Anlaufen der Außenbordmotoren bald brauchbar kalt, was die Stimmung weiter hebt, während man gemächlich entgegen Abendrot schippert. Hetzen lassen wir uns jedenfalls nicht.