Die Nacht verliert langsam ihre Dunkelheit. Kilometer um Kilometer rumpelt der Nachtzug durch Dalmatiens Dämmerlandschaft. Vor dem Fenster des Schlafwagens ziehen kleine Dörfer vorbei. Noch ist niemand auf den Beinen. Doch dann taucht das erste Tageslicht die rauen, steilen Felsen aus Karst in oranges Licht.
Hinter der Glasscheibe kehrt inzwischen Betriebsamkeit ein. Die ersten Türen der Nachbarabteile schwingen auf. Zeit für Frühstück – ein Zugbegleiter serviert Kaffee. Der Inhalt der Tasse beginnt zu schwappen, als wir Serpentinen hinabfahren. Das alte Schienensystem Kroatiens unterwirft sich der Gewalt des Geländes – wie früher, als das Reisen noch mehr Wagnis war. Nach rund 13 Stunden Fahrt von Graz aus rückt das gemeinsame Ziel näher: die kroatische Hafenstadt Split. Eine halbe Stunde noch, dann riechen wir das Meer.
Mehr als Meer
Durch ein Labyrinth von Gassen zieht es uns in die Altstadt – quasi ein Freilichtmuseum der Antike. Ohne ein in sich geschlossenes Bauwerk zu sein, bildet der Diokletianspalast das Herzstück. Der Eintritt ist kostenlos, denn das Überbleibsel des römischen Kaisers wurde über die Jahrhunderte in einen wimmelnden Ortsteil verwandelt. Die Bauwerke innerhalb der Palastmauern beherbergen Geschäfte und Bars.
Die Stadt, ein großes Wohnzimmer, dessen Unterbau nicht minder spannend ist. Vor allem Fans der Fantasy-Serie "Game of Thrones" zieht es in die Keller des ehemaligen Herrenhauses. Dort, wo Daenerys Targaryen für das filmische Publikum eine Zeit lang zwei ihrer Drachen hielt. Die feuerspeienden Ungeheuer sind mittlerweile aber wieder Souvenirständen gewichen. Für Kühlschrankmagneten und Co. muss man ab 1. Jänner 2023 sein Geld aber nicht mehr in Kuna wechseln. Kroatien plant bekanntlich den Euro einzuführen.
Ausflug ins dalmatische Hinterland
So schmalzig es auch klingen mag: Hier im Süden verschwendet man seine Zeit nicht mit dem Suchen nach schönen Plätzen. Diese finden sich ohnehin von selbst. Mit einer Ausnahme: Das dalmatische Hinterland muss man schon bewusst anpeilen. Und so rumpeln wir wieder los, diesmal mit dem Auto. Es geht über die Römerstraße nach Trilj – vorbei an grünen Feldern, Scheunen, Wassermühlen und kleinen Wirtshäusern, die traditionellen Froscheintopf mit Maisbrei servieren.
Mit Hochleistungstourismus hat das nichts zu tun – zum Glück. Mehr Beachtung für Land und Leute wünscht sich Reiseführerin Anita Birimise dennoch. Den Daheimgebliebenen sollen wir erzählen: Es sei ein Irrtum, dass die Dalmatiner tagein, tagaus auf Fischerbooten sitzen. Dann lässt sie das Auto anhalten, um uns zu zeigen, wo sich Kanu- und Raftingfreunde ins Abenteuer stürzen und Genusswanderer bis in den Spätherbst der Natur hingeben können. Und zwar am hart an der Grenze zum Postkartenkitsch kratzenden Fluss Cetina, wo einst auch Winnetou in die Ferne schweifte.
Genusstour auf der Insel der Oliven
Ortswechsel: Die Fähre der Tagesausflügler steuert die Insel Brač an. Möwen fliegen, Kinder lachen, der Fahrtwind wirbelt Haare auf. Brač also. Berühmt für ihr grünes Gold, verwundert es nicht, dass die Insel ein Olivenölmuseum beherbergt. In Skrip, dem ältesten Ort der Insel, liegt die Produktion seit vier Generationen in Familienhand.
Im Jahr 2013 restaurierte Kruno Krstulovæ als Bewahrer einer alten Tradition seine Mühle. Ein Ort voller Schraubpressen und Spindeln, wo früher, vor der Elektrifizierung, harte, ehrliche Arbeit das Tagwerk bildete. So schufteten fünf Männer zehn Stunden am Tag, um am Ende rund 60 Liter Öl in den Händen zu halten. Zum Vergleich: "Heute schafft eine Maschine bis zu tausend Liter am Tag", erzählt Krstulovæ und tischt uns anschließend lokale Spezialitäten auf: hausgemachtes Brot, Rohschinken und ja – natürlich auch seine Oliven. Sonnengetränkt und geerntet von Bäumen, die seit Hunderten Jahren Wurzeln in der Erde von Brač schlagen.
Die vielen Eindrücke machen müde, sie wollen verarbeitet werden. Praktisch: Alles, was wir dafür tun müssen, ist, das Bett auszuklappen und die Augen zu schließen. Denn die Rückfahrt erledigen wir wie die Anreise: im Schlaf …
Katrin Fischer