Eigentlich sind Städtereisen verdammt anstrengend. Stundenlanges Herumlaufen, Menschenmassen vor den Sehenswürdigkeiten und dann beim Ausrasten im Café das Gefühl, erst nicht alles gesehen zu haben. Im Entdeckerviertel ist das anders. In der recht jungen Urlaubsregion an den Flüssen Salzach und Inn schmiegen sich kleine historische Städte voller bunter Eigenheiten und regionaler Schmankerln ans Ufer. Dazu gehören Braunau auf der österreichischen und Burghausen auf der deutschen Seite. Beide Städte sind gerade mal eine halbe Autostunde voneinander entfernt und lassen sich entspannt entdecken.
Burghausen trumpft mit der längsten Burg der Welt auf: Über einen Kilometer lang geht es durch Vorhöfe zur Hauptburg mit Museum und Schatzkammer. Alles ist liebevoll gepflegt und lebendig. Das liegt wohl auch daran, dass sich in einem Teil der mittelalterlichen Gebäude nach wie vor Wohnungen befinden, malerisch umrahmt vom Wöhrsee und der Salzach. Typisch für die Häuser in der Altstadt sind die Blendfassaden aus Feuermauern, die im Spätmittelalter entstanden sind.
Konzerte und Naturschauspiele
Bei einer kulinarischen Führung wird Geschichte auch für Gaumen und Ohren serviert. Neben Köstlichkeiten aus der Region werden die besten Jazzspots verraten. Denn Burghausen veranstaltet seit Jahrzehnten eines der besten Jazzfestivals Europas. Große Namen der Szene treten immer wieder bei Konzerten auf. Beschwingt geht’s daher über die Brücke zum schönsten Blick auf die Stadt.
Wer dem Fluss ein Stückchen weiter folgt, kommt zum Salzach-Durchbruch. Der wildromantische Spaziergang endet bei hohen Felswänden, dessen Gesteinsschichten bis in die Eiszeit zurückgehen. Heute brüten in den kleinen Sandsteinhöhlen Dohlen, Bienenfresser, Fledermäuse und Eulen. Damit lassen sich grüne Auszeiten und Sightseeing angenehm miteinander verbinden.
Gipfel und Gotik
Auch im nahen Braunau. Hier geht’s durch den Wald hinauf auf den Schellenberg, der höchsten Erhebung Niederbayerns. Der Legende nach soll dort, wo heute das neue Gipfelkreuz steht, bereits Napoleon gestanden haben. Vom Schellenberghaus mit Terrasse haben Wanderer einen herrlichen Blick über die Region und können die hausgemachten Strauben nach streng geheimem Rezept probieren.
Zurück in der Stadt heißt es eintauchen in die Gotik. In keinem anderen österreichischen Städtchen ist das gotische Erbe so gut erhalten wie in Braunau. Die Häuser sind spitzgiebelig und die Fassaden mit einer Feuermauer geschützt. Für Austria Guide Annegret Ritzinger ist hier vieles eine echte Sensation: die gotischen Gebäude, das spätmittelalterliche Bürgerspital, historische Badestuben, Kaiser-Franz-Joseph-Büste: „In Braunau begegnet einem am Ende der Welt europäische Geschichte“, schwärmt sie. Durch die bedeutende Lage an der Grenze war die Stadt seit jeher befestigt – und bewahrte sich diesen Charakter.
Hoch hinaus und hinter Schloss und Riegel
Besonders gut zu sehen ist das vom Kirchturm. Mit seinen 86 Metern ist er der sechst höchste Kirchturm Österreichs. Mehr als 180 Stufen geht es hinauf zur schmalen Aussichtsplattform, wo die Turmfalken brüten. Schnell ein Foto, um nicht weiter zu stören, und dann ab ins Gefängnis. Aber freiwillig.
Der über 150 Jahre alte Knast in Braunau wurde zu einem Hotel umgebaut. Zellentüren und Stockbetten sind Original, der Rest ein wenig gastfreundlicher adaptiert mit WC und Dusche im Zellenzimmer.
Ans Herz gelegt seien auch ein Picknick am Holzöstersee und eine gemütliche Landpartie zum Biergut in Wildshut. Aromatische Hopfenherzen im Glas und ein Bratl vom Mangalitza Schwein unter der alten Linde – das ist doppelter Genuss zwischen zwei Städten.
Anita Arneitz