"Klar machen zum Fock setzen!“ – Nein, keine Obszönität, sondern akribisches Seglerlatein. Wenn man als Neuling eine Jacht betritt, mag das mitunter ein vokabularisches Feuerwerk bedeuten. „Anluven auf Hart am Wind!“ – „Ähm, wie bitte?“; „Klar zum Halsen!“ – „Wie jetzt?“
Man möge sich die Verwunderung einer sonst recht wasserscheuen „Landratte“ vorstellen – und dennoch war es die Neugierde, auf die Weite des Meeres, auf Inspirationen inmitten der offenen See und auf das, was viele als „die große Freiheit“ bezeichnen, die mich dazu bewog, einem Segeltörn beizuwohnen. Und so stand ich da, auf dem Boot, zu dem man niemals Boot sagen sollte, mit Rucksack, Badehandtuch, Flip Flops und einer viel zu großen Reiseapotheke. Und irgendwie war ich inmitten der sechsköpfigen Crew überall im Weg.
Platz ist auf einer Jacht Luxus. Das war Lektion Nummer eins. Lektion Nummer zwei: Privatsphäre gibt es eigentlich keine. Ein Paradoxon sondergleichen: War hier nicht von der nie enden wollenden Freiheit die Rede? Nun gut, ich gebe zu, ich fand sie, die Freiheit. Schon bei der ersten Ausfahrt unter Segel war sie so greifbar, dass sie mich fast zu überwältigen schien. Das brummende Motorengeräusch verstummte, zurück blieb der Wind, der sich behutsam in die Segel legte – nicht fordernd und ungestüm, vielmehr sanft wie ein Flügelschlag. Das, so würde ich meinen, war mein Glück.
Von den Wogen auf Wanderwege
Wir tuckerten mit zwei Knoten dahin – man könnte es vermutlich mit einem langsamen Fußmarsch vergleichen. Für die erfahrenen Kapitäne an Bord ein eher langweiliger Trip, für mich ein wahrer Segen. Wir legten Kurs von Biograd na Moru auf Murter und weiter auf den Nationalpark Kornati in Dalmatien. Der Archipel umfasst insgesamt 150 Inseln. Seit 1980 wurde ein Großteil zum Nationalpark erklärt und zieht seitdem Taucher, Nautiker und Wanderer gleichermaßen an. Die eher karg wirkenden Inseln haben ihre beständigen Bewohner: wilde Schafe. Steinmauern überziehen ganze Landstriche und verleihen ihnen ein unverwechselbares Bild.
Wir ankerten in einer beschaulichen Bucht am südlichsten Ende der Hauptinsel Kornat. Da ein Duscherlebnis inmitten der Mini-Nasszelle, quasi auf dem WC-Deckel, uns allen nicht besonders erstrebenswert erschien und eine Marina nicht in Sicht war, wurde es dann doch der Wasserschlauch auf der Badeplattform.
Der Aufstieg auf den felsigen Gipfel, dessen Pfad von wildem Salbei gesäumt war, hat sich durchaus gelohnt. Vor uns nur die Stille der untergehenden Sonne, die sich mit leuchtenden Rottönen ins Meer verabschiedete, und unsere Jacht in der Wiegeschaukel des nächtlichen Meeres. Nie zuvor war es auch so still in mir.
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Ehrfürchtig legten wir am nächsten Tag ab – bereit für neue Abenteuer. Es ging vorbei an hohen Felswänden, die steil ins Meer abfielen, zur Insel Mana, wo sich Ende der 1950er-Jahre ein Drama zwischen zwei rivalisierenden Fischergruppen mit tragischem Ende abgespielt hat – und zwar in dem Film „Tobendes Meer“ mit Schauspielerin Maria Schell. Reste der Filmkulisse kann man noch heute bestaunen. Das türkisblaue Meer, das uns umgab, kontrastierte mit der kargen Schönheit der Kornaten-Insel. Diese Erfahrung machten wir auch in der nicht weit entfernten Badebucht Lojena, wo das Wasser so klar ist, dass man die Unterwasserwelt bei einer Stand-up-Paddle-Tour problemlos sichten kann. Weiter ging es nach Zut, wo die Konoba Sandra bereits mit einer delikaten Fischplatte auf uns wartete.
Wind, Wellen und Wetter
Der letzte Segeltag führte uns ungeschönt vor Augen, welcher Trip uns bei stärkerem Wind „geblüht“ hätte. „Nala“, unsere Jacht, lag mit mehr als 30 Grad Krängung im Wasser und durchpflügte förmlich die hohen Wellen. Sie kämpfte wie eine Löwin. Badetücher, Sonnencremen, Brillen und sonstige Gegenstände, auch in den Kajüten, mussten verstaut werden, zurück blieb nur eine etwas ängstlicher gewordene weibliche Besatzungscrew, die sich mit den Füßen gegen das Tischchen an Deck stützte, um mit der Schwerkraft in den Kampf zu ziehen.
Eine letzte Kontrolle wurde durchgeführt, ob auch die Geschirrschränke in der Küche gut halten. Nun, sie taten es nicht. Beim ersten starken Windstoß, den das Schiff mit seinen Segeln einfing, klirrte es gewaltig unter Deck – aber wir erinnerten uns an ein Sprichwort, dem wir auch auf hoher See Gültigkeit zusprachen: „Scherben bringen Glück“.
Und das taten sie in der Tat. Der Segeltörn, das In-sich-Gehen und das Überschreiten eigener Grenzen bedeuteten für uns jene „große Freiheit“, von der alle berichteten. Wir fanden und behüteten sie wie ein wiedergefundenes Geschenk. Und ich für meinen Teil hatte meinen Platz gefunden, nicht nur auf der Jacht, auch tief in meinem Innersten.
Martina Graf