Wie viele Reisen beginnt auch diese mit dem Flugmodus. Facebook, Instagram, WhatsApp stören die Tour, lenken den Piloten unnötig ab. "Das Handy bitte abdrehen", ist die erste Bitte an die Gäste in Puregg. Doch Ziel des Abenteuers ist kein fernes Land, sondern vielmehr das eigene Ich. Die Transportmittel der Wahl sind auf den ersten Blick einfach: Schweigen und Meditation.
Meterhoch liegt der Schnee vor dem alten Stadel, der heute als Meditationshaus (Zendo) in den Bergen fungiert. Im Winter ist das alte Gehöft über Dienten fast vollständig eingeschneit, eine dicke Schneedecke drückt von oben aufs Dach, feine Schneerosen verzieren die Glasfenster der Eingangstür.
Im Inneren riecht es nach Feuer und Kerzen. Die Augen müssen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Strom gibt es keinen. 13 Menschen aus Deutschland und Österreich sind angereist, nicht nur um digital zu detoxen, sondern um eine Woche lang kein Wort zu reden, täglich 4,5 Stunden zu meditieren und rund fünf Stunden schweigend auf Schneeschuhen durch die umliegenden Wälder und Almen des Hochkönig-Massivs zu wandern.
"Wandern ist die Fortsetzung der Meditation mit anderen Mitteln", sagt Zenlehrer und Seminarleiter Marcus Hillinger. Achtsames und auf ein spirituelles Ziel ausgerichtetes Gehen ist das Mittel, um ganz auf die Gegenwart zu fokussieren. Der studierte Philosoph, groß, kahl geschoren und mit kaum wahrnehmbarer, rahmenloser Brille, spricht immer klar und eloquent. Knappe Worte für ein dichtes Programm: Wecken um 5 Uhr, Meditation von 5.30 bis 6.30, eine Stunde Arbeitsdienst (putzen) vor dem Frühstück, absichtsloses Schneeschuhwandern in Stille von 9 bis 14 Uhr, meditieren um 17.15 Uhr, Abendessen um 18 Uhr, wieder Meditation ab 19.30 Uhr, Nachtruhe um 21 Uhr.
Die gewaltige Bergkulisse des Hochkönigs erhebt sich atemberaubend wie ein schwarz-weißes Gemälde aus Schnee und Fels. Beim Anstieg auf die Pichlalm knirscht der Schnee unter den Schuhen. Der Wind peitscht die weißen Flocken ins Gesicht, die Bäume schwanken unter der Schneelast. Der 30-jährige Wiener Manuel Goditsch flüstert: "Je stürmischer es wird, desto mehr wird klar, wie klein und unwichtig wir Menschen sind. Das mag ich." Überwältigende Emotionen durchbrechen das Schweigen selten, aber doch. An diesem stürmischen Tag kauert die Gruppe unter den Bäumen im Wald zur Rast, jeder in sich gekehrt.
Das "Haus der Stille" wurde vor mehr als 30 Jahren ins Leben gerufen. Ursprünglich ein alter Bauernhof ist es heute im Stil einer traditionellen Zen-Meditationshalle, Zendo genannt, ausgebaut. Als Ort der Begegnung von Ost und West beschreibt man sich, wo "heiliges Schweigen" praktiziert wird. Gegründet wurde das Bergkloster vom Zenlehrer Vanja Palmers und dem Benediktinermönch Bruder David Steindl-Rast. Interreligiöser Dialog steht seit Beginn im Fokus, weswegen neben buddhistischen Bildern, Klangschalen und Räucherstäbchen auch ein Herrgottswinkel mit Bibel, Kreuz und Marienbild zu finden ist. Das Bild ist ein Geschenk vom damaligen Pfarrer von Dienten zur Eröffnung. Dieser habe "sogar eine Einweisung in Zazen über sich ergehen lassen", schreibt Gründer Palmers im Buch "Stimmen der Stille". "Die interreligiöse Ausrichtung sorgt für die notwendige spirituelle Offenheit", ist auch Hillinger überzeugt.
Die Welt donnert mit 275 ungelesenen Nachrichten zurück in die Gegenwart. Nach sechs Tagen Schweigen, 27 Stunden Meditation und rund 30 Stunden Wandern hat die Stille schlussendlich mit dem Ausstieg aus dem Flugmodus ein radikales Ende.