Kühles Nass überall. Es umspült nicht nur die zahlreichen Eilande des Stadtgebiets, sondern auch rund 30.000 pittoreske Schären, die typischen kleinen, felsigen Inseln, die zur Ostsee hin vor der Türe liegen. Allein diese einmalige Lage macht Stockholm zur Attraktion, aber längst nicht nur: innovativ und weltoffen einerseits, traditionsbewusst, zurückhaltend und gelassen anderseits. Eine Stadt im Spannungsfeld, nebst ihrer Schönheit an historischer wie zeitgenössischer Architektur und reichlicher Natur.
Über Schwedens Umgang mit der Pandemie wird national wie international seit Monaten diskutiert. Man setzt nach wie vor auf Eigenverantwortung – kaum etwas ist Pflicht, das meiste Empfehlung. Dass kaum Masken getragen werden, mag auf den mund- und nasenschutzgeeichten Nicht-Schweden irritierend wirken. Die Akribie allerdings, mit der überall und stets Abstand gehalten wird – Distanz liegt den Schweden einfach im Blut – sorgt wiederum für ein Gefühl der Sicherheit. Die Zahl der Personen, die in Geschäfte und Restaurants dürfen, ist limitiert. So auch die Zahl der Touristen aus dem Ausland, die derzeit Stockholm besuchen.
Sehenswertes gibt es für den Gast in Hülle und Fülle – zu jeder Jahreszeit. Für den ersten gigantischen Überblick steigt man am besten auf den Turm des „Stadhuset“, dem als Sitz der Stadtregierung geliebten Wahrzeichen Stockholms. Ein paar Meter darunter lässt es sich im imposanten „Blauen Saal“, der allerdings rot ist, in höheren wissenschaftlichen Sphären schweben. Denn hier findet normalerweise das Bankett der Nobelpreisverleihung mit 1300 Gästen und weltweiter TV-Übertragung statt.
Zu Ehren des großen Sohnes der Stadt, Alfred Nobel, gebührt es sich natürlich auch, das Nobel-Museum zu besuchen. Es liegt im beliebten Herzen der fast kuscheligen, historischen Altstadt Gamla Stan. Dort, wo alles begann, als Regent Birger Jarl 1252 eine Festung errichtete und damit als Gründer Stockholms in die Annalen einging.
Auch wenn das Image des derzeitigen Regenten Carl Gustav XVI angekratzt ist, am Königspalast geht man nicht einfach so vorbei. Allein die Größe ist umwerfend. Die derzeitige Renovierung der siebenstöckigen Fassade, hinter der sich 605 Zimmer verbergen, ist bis 2036 anberaumt. Gleich daneben rund ums Parlament geht es oft lebendig zu. Hier, wo die „Fridays for Future“-Bewegung ihren Ausgang genommen hat, trifft man mit etwas Glück Greta Thunberg auf ihrem Demoplatz der ersten Stunde.
Die Inseln Skeppsholmen und Djurgården bieten ein breites Repertoire an Unternehmungen: Hat man einmal das absolute Muss „Skansen“, das älteste Freilichtmuseum der Welt, das auf stolzen 30 Hektar Schweden vor dem 20. Jahrhundert in Miniatur erleben lässt, absolviert, so sollte man sich als „Dancing Queen“ im Abba-Museum erproben und dem geborgenen Vasa-Schiff im gleichnamigen Museum die Ehre erweisen. Die Sammlung zeitgenössischer Kunst im „Moderna Museet“ krönt man am besten mit einem Lachs im hauseigenen Restaurant inklusive Traumausblick.
Verträumte Spazierwege entlang des Wassers führen zur JugendstilvillaWaldemarsudde. Als ehemalige Residenz und Galerie des royalen Malers und großen Kunstmäzens Prins Eugen, sind seine eigenen Werke und jene seiner Zeitgenossen zu sehen. Großartig auch der Besuch der Prachtvilla des Bankiers und Kunstmäzens Ernest Thiel. Sie beherbergt etwa die größte Edvard-Munch-Sammlung außerhalb Norwegens.
Der Weg in eine andere entlegene Ecke der Stadt macht sich besonders für rot-weiß-rote Kunstpatrioten bezahlt. Im Skulpturenpark Millesgården ragen freischwebend anmutende Figuren in den Himmel. Das Wohn- und Ateliershaus des Künstlerpaares Carl und Olga Milles präsentiert weitere Werke des bedeutenden schwedischen Bildhauers und der steirischen Porträtmalerin. Als Olga Granner, 1867 in Leibnitz geboren und in den 1960er-Jahren in Graz verstorben, liegt die Künstlerin gemeinsam mit ihrem Gatten in der „steirischen Waldkapelle“ inmitten des Skulpturenparks begraben.
Weitere Skulpturen von Carl Milles findet man auch auf dem Waldfriedhof „Skogskyrkogården“. Im 108 Hektar großen Unesco-Welterbe fand auch Greta Garbo ihre letzte Ruhestätte. Geboren wurde die Filmdiva im einst schnoddrigen und heute hippsten Teil der Stadt Södermalm, wo sie sich als „Barteinschäumerin“ beim Herrenfriseur ihre ersten Kronen verdiente.
Es empfiehlt sich, in diesem Szeneviertel eine „Fika“-Pause einzulegen: Die klassische Kaffeestunde und rituelle „Heilige Kuh“ der Schweden, bei der auch die omnipräsente Zimtschnecke „Kanelbulle“ nicht fehlen darf. Bezahlt wird dann bargeldlos: Es geht kaum noch anders hier. Oft scheinen sie einen Schritt voraus zu sein, die alten und jungen Schweden.
Regina Rauch-Krainer