Die Coronakrise hat unsere Reisegewohnheiten durcheinandergewirbelt. Haben wir aus der Ausnahmesituation auch etwas gelernt?
Tristan Horx: Ein positiver Effekt der Pandemie in Bezug auf das Reisen ist sicherlich, dass wir unser eigenes Land wieder erforscht und als Urlaubsziel neu kennengelernt haben. Manch einer war richtig überrascht, wie schön Österreich ist.
Wird sich die Art, wie wir Urlaub machen, langfristig verändern?
Der nächste Urlaub ist für viele so etwas wie das viel zitierte Licht am Ende des Tunnels. Etwas, woran man sich festhalten und worauf man sich freuen kann. Sobald man wieder reisen kann, werden das viele erst einmal nachholen. Da werden wir das Gefühl haben, die Leute sind durchgeknallt. Langfristig wird es aber zu einer Entschleunigung des Reiseverhaltens kommen. Gerade bei den Jüngeren war der Trend zu „Slow Travel“ schon vor der Coronakrise zu spüren und er wurde dadurch noch beschleunigt.
Was bedeutet „Slow Travel“?
Primär werden sich beim Reisen Verkehrsmittel und die Taktung ändern. Aber auch das Erlebnis. Viele aus der älteren Generation kennen das noch: Der Urlaub beginnt um 5 Uhr früh, wenn alle ins Auto steigen und losfahren. Das wird sich auflösen, die Anreise mehr als Teil des Weges begriffen werden. Zum Beispiel wenn man mit dem Zug statt mit dem Flugzeug unterwegs ist. Wenn es einem wo gefällt, bleibt man zwei Nächte.
Wird sich das Reisen alleine deshalb verändern, weil wir ein anderes Angebot haben werden? Stichwort Pleitewelle in der Reisebranche.
Einige große Reisekonzerne werden derzeit klinisch am Leben erhalten, obwohl ihr Angebot längst überholt gehört. Sie sind in der Welt des Massentourismus hängen geblieben. Es ist aber davon auszugehen, dass wenn die Menschen in Zukunft weniger und bewusster reisen, sie dafür intensivere und individuellere Erfahrungen im Urlaub machen und keine abgepackten Dienstleistungen mehr wollen. Gerade die jüngere Zielgruppe reist an Orte, an denen nicht viele Touristen sind, und wollen auch keinen durchgeplanten Urlaub, sondern das Land authentisch kennenlernen. Nicht nur die Fassaden, die der Massentourismus aufbaut. Da müssen Reisebüros ihr Angebot anpassen, sonst stellen sich die Kunden ihren Urlaub im Internet individuell zusammen.
Individualtouristen, die ihren Urlaub selbst buchen, haben in den Stornowellen 2020 finanziell oft durch die Finger geschaut. Wird die Pauschalreise ihr Comeback feiern?
Das ist eine Frage des Zeithorizonts. Solange noch die Unsicherheit durch Corona in der Luft liegt, wird das Buchen im Reisebüro sicher ein großes Thema sein, weil man einfach viel besser abgesichert ist. Aber die Trendentwicklung in der größeren Perspektive geht in Richtung Individualität.
Was macht Sie so sicher, wenn wir sogar im Lockdown jedes Wochenende Bilder von überlaufenen Ausflugszielen sehen?
Unser Tourismus ist noch immer auf Konsum ausgelegt – abfotografieren für Instagram. Aber es wird eine Zeit geben – und die ist nicht so weit weg – wo die Millennials und die Generation Z die Hauptkonsumenten sind. Und damit wird sich die Kultur des Reisens verändern.
Werden wir wieder so viel fliegen wie in Zeiten vor Corona?
Ich glaube, wir werden beschämt darauf zurückschauen, wie selbstverständlich und oft wir das getan haben. Und zu welchem Preis: Es kann nicht sein, dass die ökologische Komponente beim Fliegen nicht abgebildet wird. Niemand kann mir erzählen, dass das bei einem Ticket um 30 Euro der Fall ist.
Starten auch Langstreckenflüge wieder durch?
Grundsätzlich sind die größere Umweltsünde die Kurzstrecken. Stattdessen braucht es ein polymobiles Netz, wo der Zug die kurze Distanz ersetzt und auch mit dem Fliegen kompatibel ist. Das Flugzeug als Gerät ist für das Überwinden von Langstrecken in kurzer Zeit alternativlos. Nur müssen diese Flüge auch wieder entsprechend viel kosten.
Die meisten Wintersportorte haben diese Saison bereits abgeschrieben – und immer wieder sind einige von ihnen in die Schlagzeilen geraten: Wird man wieder ausgelassen Après Ski feiern – oder ist diese Party endgültig vorbei?
Ja, man wird im Skiurlaub auch wieder über den Durst trinken. Aber der Begriff Après Ski ist nachhaltig beschädigt. Manche großen Wintersportorte im Westen Österreichs haben nur auf Quantität gesetzt und kommen aus diesem Geschäftsmodell so einfach nicht heraus. Und die Nachfrage aus dem Ausland, zum Skifahren zu kommen, wird nach wie vor groß sein. Aber es gibt einen Weg zurück aus dem Overtourism, man muss ihn nur gehen. Das ist ein langwieriger Prozess, der in der Region selbst passieren muss.
Viele Dinge haben sich rund ums Reisen geändert. Einreiseverbote, Registrierungen, Coronatests – in manchen Ländern oder bei manchen Fluglinien ist vielleicht künftig eine Covid-Impfung vorzuweisen. Werden Touristen das akzeptieren?
Reisen und Urlaub sind die Zeit, in der man sich vom Stress des Alltags erholen möchte. Wenn das plötzlich komplizierter wird, ist der Aufschrei natürlich groß. Das wird man aber in Kauf nehmen müssen, wenn man während einer Pandemie reisen möchte. Wer wirklich reisen will, wird es auch tun.