"Nie mehr Schneeschaufeln!" So lautete das Credo von Christa Dornfeld-Bretterbauer, als sie aus dem obersteirischen Hinterland nach Madeira auswanderte. Die Schönheiten der portugiesischen Insel Besuchern näherzubringen, ist ihre Berufung. Dafür macht sie sich beinahe täglich auf. Und zwar, wenn die Massen der Touristen noch beim Frühstück sitzen.

Ihr Gatte Gerald dagegen ist ein erklärter Genussmensch und lebt nach dem Motto: "Wandern tun die anderen." Christa aber liebt ihre Insel. Sie scheint jede Levada persönlich zu kennen und erkundet mit den Besuchern Wege, die - so scheint es angesichts ihrer Begeisterung - noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

Und ganz so abwegig ist das gar nicht: Das Wetter dort ist launenhaft. Auf Madeira kann ein in Sonnenlicht gebadeter Ort im nächsten Augenblick im Nebel verschwinden. Oder es wehen einem aus dem Nichts plötzlich orkanartige Böen entgegen. In den berüchtigten Nebelfeldern gehen nicht nur leichtsinnige Urlauber gerne einmal vorübergehend verloren, auch Einheimische sollen sich in der dichten, grauen Suppe schon verirrt haben.

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Blaues Blütenmeer: Natternkopf, der Stolz von Madeira
Blaues Blütenmeer: Natternkopf, der Stolz von Madeira © Getty Images (Merten Snijders)

Aber die Liebesbeziehung unserer Begleiterin zur Insel scheint wechselseitig: Madeira liebt Christa. Und so kommt beim Wandern stets im richtigen Moment die Sonne heraus. Oder es fällt zum perfekten Zeitpunkt im "Zauberwald" nahe der Ortschaft Fanal der Nebel ein und hüllt die uralten Lorbeerbäume in einen mystischen Schleier. Diese von Moosen, Flechten und Farnen überwucherten Baumriesen im Nebel bei leicht durchschimmernder Sonne - märchenhaft.

Beim stetigen Gehen auf teils abenteuerlichen Wegen fällt der Stress des Alltags schnell von einem ab. Es scheint, als würde das unablässige Plätschern der Bewässerungskanäle und Wassertreppen, von denen ein ungefähr 2000 Kilometer langes Netz Madeira durchzieht, die Sorgen wegschwemmen. Unter den 14 Teilnehmern der Wandergruppe rennt der Schmäh.

Ein Wanderweg verbindet den Pico do Arieiro und den Pico Ruivo
Ein Wanderweg verbindet den Pico do Arieiro und den Pico Ruivo © Simon Dannhauer/stock.adobe.com

Besteigt man den höchsten Berg der Insel, den Pico Ruivo (1862 m), verbindet die gemeinsame Anstrengung. Und so entwickeln sich Gespräche über Tiefsinniges. Gerald schildert beim Abendessen den therapeutischen Effekt des Gehens in der Natur: "Da erzählt man sich schon nach einem Tag Dinge, die ich meinem besten Freund nach zwei Flaschen Wein nicht sagen würde . . ."

Apropos. Bei Feliciano, dessen Restaurant in den Hügeln nahe der Hauptstadt Funchal noch nicht einmal ein Geheimtipp ist, kredenzt man "Poncha", einen gehaltvollen Aperitif aus Maracujasaft und Zuckerrohrschnaps. Wie Damoklesschwerter des Cholesterinspiegels hängen meterlange Fleischspieße als Hauptspeise über den Tischen. Und es gibt Degenfisch mit Banane. Er ist eine Spezialität der Insel, zwar ungemein hässlich, aber gegrillt ganz passabel. Eine Verkostung wert: der aus Malvasia-Trauben gekelterte Madeira-Wein, der mit Zuckerrohrschnaps versetzt, über mehrere Wochen auf 40 bis 50 Grad Celsius erhitzt und dann in Eichenfässern gelagert wird.

Kennt die Schleichwege der Insel: Christa Dornfeld-Bretterbauer
Kennt die Schleichwege der Insel: Christa Dornfeld-Bretterbauer © Hans Auinger

Mit einer Wanderführerin wie Christa ist Madeira ein sinnliches Erlebnis. Aber wie schafft sie es, im Tourismusgefüge, der Routine der ständig wechselnden Gäste, den immer gleichen Fragen, Witzchen und Wehwehchen zurechtzukommen? Auf das Thema angesprochen, wird unsere Begleiterin erst wortkarg: "Die Energie, die ich investiere, bekomme ich vielfach von der Insel zurück. Vor allem bei ganz besonderen Touren, wie jener durch den Lorbeerwald. Dazu viel Meditation und Yoga, das gibt mir Kraft."

Das gelbe Warnschild auf dem Garagentor ihres Hauses zeugt vom nötigen Schmäh: "Vorsicht! Vor Dachlawinen und Eiszapfen". Aber: nie mehr Schneeschaufeln.

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