Die Heckklappen der zwei Autos stehen offen. Ein Blick hinein zeigt: Das kann dauern. Dutzende leere Flaschen warten noch darauf, an der Quelle daneben mit „Jezerska slatina“ gefüllt zu werden. Das in Slowenien einzigartige Mineralwasser sprudelt hier kostenlos, aber nicht umsonst aus dem Boden: Mediziner sprechen ihm Heilkräfte bei Herz- und Gefäßerkrankungen zu. Außerdem enthält es so viel Magnesium, dass man davon maximal zwei Deziliter pro Tag trinken sollte. Größere Mengen beeinträchtigen die Verdauung, was bei den semiprofessionellen Abfüllern vor uns offenbar nicht der Fall ist. Freundlich lassen sie uns Amateuren mit nur einer Flasche im Gepäck den Vortritt.
Die Quelle ist der einzige Ort in der nordslowenischen Region Jezersko, an dem es sich manchmal staut. Nur zwei Bergstraßen, beide eng und kurvig, führen in die abgeschiedene und ruhige Gegend. Eine davon kommt über den 1215 Meter hohen Seebergsattel aus Kärnten, das 1918 freiwillig auf Jezersko verzichtet hat. Per Landtagsbeschluss trat man diesen Teil des ehemaligen Herzogtums Kärnten an den SHS-Staat ab, um im Tausch dafür die Gemeinde Weißenfels (heute: Fusine in Valromana) zu erhalten. Letztere wurde allerdings wenig später mit dem Kanaltal Italien zugesprochen.
Jezersko ist die slowenische Version des altösterreichischen Namens Seeland. Er spiegelt den Umstand wider, dass der Talboden einst von einem riesigen Gletschersee bedeckt war. Das verheerende Erdbeben vom 25. Jänner 1348, das in Kärnten den Dobratsch spaltete, brachte dann aber auch hier gigantische Felsbarrieren zum Einsturz. Der See, dessen Lage sich heute nicht mehr genau lokalisieren lässt, verschwand in den folgenden Jahrzehnten auf Nimmerwiedersehen. Zur Erinnerung an ihn stauten Einheimische später einen Teich in Herzform auf.
Romantik pur, aber wer nicht darauf steht, könnte sich fast verfolgt fühlen. Denn im touristischen Vorzeigebetrieb der Region, der Vila Planinka, geht’s optisch genauso herzig zu. Sogar der Flachbildfernseher im Zimmer ist hinter einem Fensterladen aus Holz mit Herzausschnitt versteckt. Das im Vorjahr eröffnete Boutique-Hotel hat nur 23 Zimmer und gilt als kompromisslosestes Öko-Ressort in Slowenien. Besitzer Marjan Batagelj, slowenischer Unternehmer des Jahres 2019 und Betreiber der weltberühmten Höhlen von Postojna, hat das Motto höchstpersönlich ausgegeben: „Nachhaltigkeit heißt, einen Ort für nachkommende Generationen besser zu hinterlassen als man ihn vorgefunden hat.“
Die Vila Planinka hatte Batagelj als einen in die Jahre gekommenen Kurbetrieb vorgefunden. Er verließ ihn als Gast schlanker, entschleunigter und mit dem festen Vorsatz, der besonderen Umgebung das dazugehörige besondere Hotel zu geben. Die Architektur des von Grund auf renovierten Betriebes dominieren Holz, Glas und Sichtbeton. Was im täglichen Betrieb verwendet wird, stammt ausschließlich aus der Region – egal ob im Badezimmer oder in der Küche. Liefern dürfen nur Produzenten, die ihre Ware plastikfrei verpacken. Zero Waste auf der einen, null Stress auf der anderen Seite: WLAN gibt es nur auf Wunsch. Und um 23 Uhr werden alle Straßenlaternen und die Lichter in den öffentlich zugänglichen Bereichen abgedreht, „damit unsere Gäste nach den Sternen greifen können“.
Bei Tag kann es vorkommen, dass man beim Spaziergang durch Wälder oder über Wiesen Gesichter aus dem Hotel trifft: Köche auf der Suche nach Zutaten. „Wir haben den Luxus, dass vieles einfach hinterm Haus wächst“, sagt Küchenchef Jakob Jerala. Der Slowene hat in Tophäusern rund um den Globus gekocht – unter anderem in Gambia, London und Schweden – und fühlt sich nun „angekommen“. Kein Wunder, bei diesen Freiheiten: Das auch für Nicht-Hotelgäste geöffnete Restaurant hat keine fixe Karte. Die Natur gibt vor, was gekocht wird. Und natürlich der Chef. Zu seinen Spezialitäten zählen zum Beispiel Gerichte mit Fleisch vom Brillenschaf, das in Kärnten und Slowenien heimisch ist, und ein handgeschnittenes Beef Tatare mit regionalen Kräutern.
Das Mineralwasser „Jezerska slatina“ wird für die Gäste der Vila Planinka täglich frisch von der nur knapp zwei Kilometer entfernten Quelle geholt. „Maximal zwei Deziliter“, erinnert Sommelier Marko Koren, wenn er im Restaurant zu motiviert eingeschenkte Gläser sieht. Er verweist dann gerne und schwärmerisch auf seinen Fundus, von dem man mehr trinken darf: 125 Weine aus Slowenien, Kärnten, der Steiermark und dem Grenzgebiet zu Italien. „Wir sind gerade dabei, das Angebot auf 160 Weine aufzustocken“, erzählt er und erklärt ungefragt, wie das mit dem Hotel-Credo „Total regional“ vereinbar ist. „Das war doch alles einmal eine Region. Und für mich ist es das bis heute.“