Wer unbedarft das erste Mal durch Hüttenberg im oberen Kärntner Görtschitztal fährt, reibt sich zunächst die Augen. Die steile Felswand an der südlichen Ortseinfahrt ist bemalt mit überdimensionalen, farbprächtigen Darstellungen tibetischer Gottheiten. Überall bunte Gebetsfahnen und mannshohe Gebetsmühlen. Am Fuß des Felsens steht eine goldgedeckte Stupa, ein sakraler buddhistischer Bau.

Und auch in Knappenberg, jenem Ort, der einen Berghang höher liegt, wähnt man sich in manchen Momenten in Tibet. Hier ist das in Architektur und Fassadengestaltung exotisch anmutende Tibetzentrum, daneben das diesem Stil weitgehend angepasste Jufa-Hotel Knappenberg.

Die Kurse im Tibetzentrum laufen wieder
Die Kurse im Tibetzentrum laufen wieder © KK

„Klein-Tibet“, an diesen Beinamen haben sich die Einheimischen längst gewöhnt. Zu verdanken ist er letztlich der Freundschaft zwischen dem 2006 verstorbenen Hüttenberger Bergsteiger Heinrich Harrer und dem 14. Dalai Lama. Die Geschichte dieser ungewöhnlichen Verbindung ist spätestens seit der Hollywood-Verfilmung von Harrers Buch „Sieben Jahre in Tibet“ jedem ein Begriff.

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Den Hüttenberger Bergsteiger Heinrich Harrer und den Dalai Lama verband eine jahrzehntelange Freundschaft
Den Hüttenberger Bergsteiger Heinrich Harrer und den Dalai Lama verband eine jahrzehntelange Freundschaft © APA (GEPA pictures)

Was mit Harrers Privatmuseum und dem Anlegen des tibetischen Gebetspfades „Lingkor“ in der Felswand gegenüber begann, krönte 2008 die Eröffnung des einzigen Tibetzentrums in Europa, das vom Dalai Lama persönlich beauftragt wurde, seine Lehren weiterzugeben. Er selbst stattete 2012 einen Besuch ab, die Leitung des Hauses übertrug er auf Lama Gesche Tenzin Dhargye.

Der Fokus liegt hier auf Geistesschulungen, philosophischer Auseinandersetzung mit Emotionen, Meditationen, aber auch auf Ausbildungen in tibetischer Medizin und Massage. „Wir haben keinen missionarischen Eifer. Niemand muss Buddhist sein oder werden, um an unseren Kursen teilzunehmen“, sagt Mitarbeiterin Lucia Waldhör. Interesse an geistiger Weiterentwicklung genügt.

Auch für eine adäquate Unterkunft ist gesorgt. Nebenan wurde 2014 das Jufa-Hotel eröffnet, das sich in Interieur und einem der schönsten Yogaräume weit und breit ebenfalls der Tibet-Optik angeschlossen hat. Die Lage des Ortes an einem Südhang mit Traumblick auf die Karawankengipfel trägt ihrerseits bei zur inneren Gelassenheit.

Das Heinrich-Harrer-Museum bleibt heuer geschlossen
Das Heinrich-Harrer-Museum bleibt heuer geschlossen © Elias Jerusalem

Der 6. Juli ist eigentlich so etwas wie ein Feiertag in Knappenberg, denn der Dalai-Lama-Geburtstag wurde im Tibetzentrum immer festlich begangen. Heuer wird das geistige Oberhaupt der Tibeter 85 Jahre alt. Leider funkt Corona dazwischen: Das Geburtstagsritual wird diesmal nur über Facebook gestreamt. Aber das Kursprogramm läuft, „seit Kurzem haben wir unsere Seminare wieder aufgenommen, natürlich mit den nötigen Abstands- und Hygieneregeln“, erklärt Waldhör. Auch das Jufa-Hotel hat seine Pforten zeitgleich wiedereröffnet, das Heinrich-Harrer-Museum bleibt in dieser Saison zwar geschlossen, die Zwangspause wird für eine Generalsanierung genutzt.

Das Tibetzentrum leitet Lama Gesche Tenzin Dhargye
Das Tibetzentrum leitet Lama Gesche Tenzin Dhargye © KK

Aber der „Weg des Dialogs“ kann trotz Corona weiterwirken in Sachen Völkerverbindung: Der idyllische Wanderweg von Knappenberg nach Hüttenberg stellt an vielen Stationen die verblüffenden Ähnlichkeiten der Kulturkreise im Himalaya und in den Alpen dar. Wir haben mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint. Das hat der Dalai Lama weise erkannt.

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