Die Vorstellung ist romantisch: Gemeinsam mit der Familie einem Ziel entgegen, in die Wanderschuhe rein und los! Die Realität entpuppt sich manchmal schon nach einem Kilometer als andere. „Wann sind wir endlich da? Ich bin müde“. Jeder, der schon einmal mit Kindern gewandert ist, kennt diese Fragen, die nach oben rollenden Augen, wenn die Wanderpläne aus- und die Jause einpackt werden.
Abwechslung zählt
„Laaaangweilig!“ Spätestens in diesem Moment wird jedem Elternteil klar, dass die Bedürfnisse des eigenen Nachwuchses andere sind – auch beim Wandern. „Das große Geheimnis sind meist andere Kinder, mit den Eltern alleine zu wandern ist langweilig“, so der einfache Tipp von Christian Hlade von Weltweitwandern. „Wenn man sich mit einer zweiten Familie mit ähnlich alten Kindern zusammentut, ist das oft schon 90 Prozent des Erfolges“. Der Wander-Profi spricht auch aus seiner Erfahrung als Familienvater. „Natürlich geht es auch alleine, dann ist es allerdings wichtig eine abwechslungsreiche Strecke zu haben.“ Von reinen Asphaltstraßenwanderungen rät der Experte ab: „Das ist der Killer“.
So wie Monotonie generell. Abwechslung und Ablenkung sind die Zauberformeln. Abgesehen von Themenwanderwegen, bietet die eigene Fantasie zahlreiche Möglichkeiten: Gemeinsam mit den Kindern eine Geschichte kreieren, in die die Umgebung miteinbezogen wird, singen, Bewegungs- und Beobachtungsspiele á la „Ich sehe was, was du nicht siehst“, die Natur mit allen Sinnen erleben, Tierlaute erkennen, Nadelbäume riechen, barfuß über Moos wandern und natürlich Pausen. „Da muss man als Erwachsener oft viel Geduld aufbringen“, weiß Hlade.
Der Weg ist das Ziel
Denn: Der Weg ist das Ziel und manchmal eben auch die Pause. Wenn etwa das Staudammprojekt am Bach, das Einfangen der Kaulquappen im See oder das Windradbasteln einmal länger dauern. „Immer nur zu pushen ist falsch, da erzeugt man eine Wanderparanoia“, macht der Experte mehr Mut zu kurzfristigen Planänderungen. Nachsatz: „Dieser Ehrgeiz, dass man irgendwo hinkommen muss, ist kontraproduktiv.“ Auch das Wort müde, gilt es immer wieder zu hinterfragen. Denn: Oft zeigt es nur Langeweile an. Es liegt an den Erwachsenen, die Strecke so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten.
Welche Strecken kann ich meinem Kind zumuten? „Das kann man nicht verallgemeinern“, so Hlade. Mit Tragetuch könne man sehr früh Spaziergänge machen, mit Rückentrage bereits ab sechs Monaten kleine Wanderungen. Ab dem Moment, wo sie selber gehen, funktionieren Ministrecken von zwei bis vier Kilometern. Volksschüler haben eine breite Palette: Motivierte und gut trainierte Sechsjährige können einige Kilometer schaffen. Untrainierten Kindern sei das aber „niemals zumutbar“. Motivierte Zehnjährige könnten sogar „sehr lange Strecken“ (bis zu 20 km) schaffen. „Wenn es lustig ist, haben die Kinder eine hohe Leistungsfähigkeit.
Gut aufpassen müsse man im Hochgebirge. Kindern fehlt nämlich oft das Wärmeempfinden und sie schwitzen anders. Auskühlung und Austrocknen (immer genug trinken!) drohen. Gesunder Hausverstand sei die halbe Miete. Das gilt auch für Grenzgänge wie Klettereinlagen auf Felsen. Unter Aufsicht und bis zu drei Metern Höhe seien diese durchaus vertretbar. „Man muss die Grenzen üben und kennen und vor allem seine Kinder kennen“, betont der Experte, „dann kann man viel machen“. Nachsatz: „Nicht gleich eine Hochschwabüberquerung!“ Das Tempo gibt im Übrigen immer der Jüngste vor.
Loslassen
Dass Motivation und gute Planung nicht immer reichen, zeigt sich gerade bei Jugendlichen, wie der dreifache Vater am eigenen Leib erfahren musste. „Ab einem gewissen Alter wollen sie einfach nicht mehr“, erinnert er sich an eine „verhaute Schottlandreise“, bei der die Kinder nicht mehr aus dem Auto gestiegen sind. Sein Tipp: Loslassen und kein Zwang. „Denn sonst macht man ganz viel kaputt.“ Irgendwann kämen sie dann von alleine zurück. Gelernt hat Hlade beim Wandern mit Kindern auch viel über sich selbst: „Die Langsamkeit hat mich sehr gefordert.“ Und: „Man kann auch auf einer vier Kilometern langen Strecke ein ganzes Universum entdecken“