Wahrscheinlich lachen sie seit Jahren über die Pointe, dass ihre Cowboyhüte nur so wackeln. „Gold is where you find it“, steht groß auf dem Handbuch des Goldwasch-Sets, made in USA. Wörtlich übersetzt: Gold ist, wo du es findest. Großartig! Was würde man ohne diesen vertraulichen Hinweis machen? Ein späterer Blick ins Internet versöhnt einen mit den Herstellern und hebt die Englischkenntnisse. „Gold is where you find it“ ist eine alte Redewendung, die besagt, dass wahre Werte subjektiv sind. Die Betonung liegt auf dem „you“ (du) – nicht auf dem „Gold“.
Trotzdem lockt das Edelmetall. Und dafür muss man nicht in die USA fliegen. Österreich reicht. Und wie! Im Mittelalter, also lange vor der vielfach verfilmten Gier nach Reichtum im Wilden Westen, galten unsere Breiten als wichtigstes Bergbaugebiet der damals bekannten Welt: In den Goldminen der Hohen Tauern waren Tausende Menschen beschäftigt. Entlang der Donau, Drau und Mur wurde im großen Stil Gold gewaschen, industriell ebenso wie von Bauern als Nebenerwerb. Leer gefischt sind sie nicht. Es gibt nach wie vor kaum ein Fließgewässer in Österreich, in dem laut Geologen kein Edelmetall zu finden ist.
Als wahre Goldgrube gilt die Gegend rund um Rauris. Die Marktgemeinde auf der Salzburger Seite der Hohen Tauern ist regelmäßig Austragungsort internationaler Meisterschaften im Goldwaschen. Sie stellen die Organisatoren vor eine ungewöhnliche Herausforderung: Um die Ergebnisse vergleichen zu können, müssen in die Portionen, die jeder Teilnehmer zum Waschen bekommt, immer exakt gleich viele jeweils circa zwei Millimeter „große“ Goldkörnchen gemischt werden. Dafür benötigt man jedes Mal eine Traktorladung mit garantiert edelmetallfreiem Sand. Doch den gibt es im Raurisertal nicht.
„Das Material aus unseren Bächen ist unbrauchbar. Es enthält zu viel Gold“, jammert Mitorganisator Theo Huber. Deshalb müssen die Veranstalter den Sand für die Wettkämpfe jedes Mal auswärts im Baumarkt kaufen. Huber lebt vom und fürs Goldwaschen. An der Hüttwinklache betreibt er den Goldwaschplatz Bodenhaus, wo nach einer kurzen Einweisung durch den Meister höchstpersönlich jeder sein Glück versuchen kann. „Gesalzen“ (so nennen es Profis, wenn man für Touristen Goldstaub in den Bach kippt) wird nicht. „Beim aktuellen Goldpreis würde ich da ja draufzahlen“, reagiert Huber empört auf entsprechende Fragen.
Wer Huber besuchen will, muss eine Sackgasse nehmen. Verkehrstechnisch gesehen, ist das ganze Raurisertal eine: Im Süden geht es in das Hüttwinkltal über und endet schließlich in der Kernzone des Nationalparks Hohe Tauern an den Hängen der Goldberggruppe, die nicht ohne Grund so heißt. Stollen, Ruinen und der eine oder andere rostige Hunt zeugen vom Bergbau, der hier bis ins 19. Jahrhundert betrieben wurde. An einen Glücksritter von damals erinnert man sich in Rauris bis heute besonders gern: Bergwerksbesitzer Ignaz Rojacher (1844–1891) gilt als „letzter Knappe am Goldberg“. Gleichzeitig war er einer der ersten Touristiker. Rojacher begann, eine Aufzugsmaschine (eine Art Standseilbahn) für den Erztransport auch zur Beförderung von Sommerfrischlern auf den Berg zu nutzen.
Die 1,4 Kilometer lange Strecke überwand knapp 600 Höhenmeter. Angetrieben wurde die Rolle, die das Seil der Bahn – je nach Richtung – auf- oder abwickelte, durch ein Wasserrad bei der Bergstation. Sein Durchmesser betrug 11,4 Meter. Die Fahrt mit der Aufzugsmaschine war ein Abenteuer, wie ein 1876 veröffentlichter Bericht des Alpinschriftstellers Anton von Ruthner belegt: „Die Neigung der Bahn beträgt durchschnittlich 28 Grad, steigt aber bis zu 55 Grad. Es verlangt begreiflicherweise Schwindelfreiheit, wenn man auf der von den Felsen abstehenden Bahn plötzlich nahezu aufrecht stehend in die Tiefe hinabgleitet. Um dies ohne Angst durchzumachen, muss man wahrlich starke Nerven haben.“ Manchmal endete der Nervenkitzel im Graben. Es kam regelmäßig zu Entgleisungen und Abstürzen. Ein schwerer Unfall mit Personenschaden ereignete sich in den ganzen 63 Jahren, in denen die Aufzugsmaschine in Betrieb war, gottlob nie.
Rojacher interessierte sich sehr für die Meteorologie, die damals eine recht junge Wissenschaft war. „Für die heimischen Forscher wurde er zu einem wichtigen Mitstreiter“, sagt Siegfried Kopp, der das Talmuseum Rauris leitet. Nur durch die Unterstützung des „letzten Knappen“ war es 1886 möglich, die international bestaunte Wetterwarte auf dem 3106 Meter hohen Sonnblick zu errichten. Sie ist bis heute das höchstgelegene ganzjährig besetzte Gipfel-Observatorium der Welt. Basislager für ihren Bau war das Knappenhaus eines Rojacher-Bergwerks.
Der Unternehmer wurde nur 47 Jahre alt. „Er war ein großer Mann“, steht über ihn im Sterbebuch der Pfarre. Sein Grab auf dem Friedhof in Rauris ziert ein teilvergoldetes Kreuz. Wegbeschreibung auf Englisch: „Gold is where you find it.“