Das Zentrum der südschwedischen Provinz Småland ist mit dem Auto von Österreich aus in gut 16 Stunden erreichbar. Mit dem Zug dauert die knapp 1600 Kilometer lange Strecke 24, mit dem Fahrrad 84 und zu Fuß 280 Stunden. Schneller geht es natürlich in knapp vier Stunden mit dem Flugzeug. Aber egal wie lange es dauert: Småland, das „kleine Land“, ist die Anreise jedweder Art wert.

Mit seinen knapp 760.000 Bewohnern auf einer Fläche, die größer ist als die Steiermark, Kärnten und Vorarlberg zusammen, ist in der Provinz mit mehr als 5000 Seen und vier Nationalparks viel Platz für Auszeiten in der Natur – und die sind manchmal gleichgewichtstechnische Herausforderungen.

Schneeschuhe auf Gummistiefel geschnallt und los geht es, hinein in das größte zusammenhängende Hochmoor südlich von Lappland im Nationalpark Store Mossenördlich von Värnamo. Die Schwierigkeit dabei: Kein Schnee ist zu bewältigen, sondern Moorlandschaft mit Wiesen, Sträuchern und Wasser.

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Wandern durch die Moorlandschaft im Nationalpark Store Mosse
Wandern durch die Moorlandschaft im Nationalpark Store Mosse © KK

Doch, Überraschung! Nach vier, fünf Schritten, bei der die Fortbewegung eher einem Storchenjungen bei den ersten Gehversuchen als einer gestandenen Natureroberin gleicht, wandern die Gedanken weg von „Hilfe, ich falle gleich ins Moor!“ hin zu „Unglaublich, was die Natur hier zaubert!“ Plötzlich liegt Vogelgezwitscher wie Musik in den Ohren, lösen die Pflanzen ein Geruchsfeuerwerk aus, und die Augen können sich nicht sattsehen an der landschaftlichen Weite.

Kreative Designerszene

Doch Småland ist nicht nur reich an Natur, es ist auch das Reich der schwedischen Möbel- und Glasdesigner – einer Kreativszene, die ihresgleichen sucht. Das „Möbelriket“ (Möbelreich) im Norden der Provinz und das „Glasriket“ (Glasreich) im Süden machen Design erleb- und begreifbar. Die Gelegenheit, das praktisch zu tun, bietet sich in Bodafors, südöstlich von Jönköping.

Zimtschnecken im „Kulturgatan“
Zimtschnecken im „Kulturgatan“ © KK

Dort hat der Berliner Tischler Julius Lehmann Mitte der 1920er-Jahre die Intarsienkunst etabliert. Durch das In- und Aneinanderlegen verschiedener Hölzer zu einer ebenen Oberfläche kreierte er Kunstwerke, die heute noch zu sehen sind. Seine Ateliers, Wohnhäuser und Werkstätten sind Teile eines Ensembles, das als „Kulturgatan“ (Kulturstraße) Platz für Ausstellungen und Workshops bietet – mit Bäckerei und herrlichen Zimtschnecken. „Wir haben 100 Tage geöffnet, von Mitte Juni bis Mitte September“, lässt Mikael Löfström wissen. Er ist selbst Designer und mit Leib und Seele Lehrmeister und Kurator in der Kulturgatan, wo neben einer ständigen Ausstellung von Windsor-Stühlen auch temporär Stücke junger Designer gezeigt werden.

Bugholzmöbel von Bruno Mathsson

Einer der weltweit bedeutendsten und berühmtesten schwedischen Designer hat auch schon jung angefangen, seine Ideen umzusetzen. Wie er gelebt und gearbeitet hat, wird im Bruno Mathsson Center in Värnamo gezeigt. Das bekannteste Design des gelernten Tischlermeisters und Architekten sind seine Bugholzmöbel. Dafür führte er das von Michael Thonet im 19. Jahrhundert entwickelte Verfahren, um Holz zu biegen, weiter aus und verpasste seinen Stühlen geflochtene Sattelgurte als Sitzfläche. Das doch überraschende Ergebnis: Man sitzt unglaublich bequem darin. In seinen Arbeits-, Wohn- und Sommerhäusern herrscht klares Design, praktisch und zeitlos.

Ein- und Ausblicke im Bruno Mathsson Center in Värnamo
Ein- und Ausblicke im Bruno Mathsson Center in Värnamo © Patrik Svedberg/imagebank.sweden.se

Auch im Ikea-Museum in Älmhult, wo man durch die gesamte Unternehmensgeschichte des Global Players wandert, prägen zeitlose Designs das unternehmerische Lebenswerk Ingvar Kamprads, der 1943 als 17-Jähriger sein erstes Kaufhaus eröffnete. Übrigens ist „Ikea“ eine Abkürzung für „Ingvar Kamprad Elmtaryd Agunnaryd“. Elmtaryd hieß der elterliche Bauernhof, Agunnaryd der Wohnort des erfolgreichen Schweden.

Das Vandalorum wurde von Stararchitekt Renzo Piano entworfen
Das Vandalorum wurde von Stararchitekt Renzo Piano entworfen © John Nelander

Am Stadtrand von Värnamo ist ein weiteres Herzstück schwedischer Kreativität gepaart mit italienischer Architektur zu finden: das Vandalorum, internationales Zentrum für Kunst und Design. Der renommierte Architekt Renzo Piano hat den Gebäudekomplex entworfen. „Wir sind ein lebendiges Museum und haben pro Jahr 15 Ausstellungen verschiedenster Künstler und Designer“, erzählt Museumspädagogin Ida Ohlsson.

Zerbrechliche Schönheiten

In die Welt von Zerbrechlichkeit und Schönheit lässt das „Glasriket“ im Südosten Smålands zwischen Kalmar an der Küste und Växjö eintauchen. Glasmacher und -designer werden hier nicht nur wertgeschätzt, sondern auch von vielen Menschen gerne bei ihrer Arbeit beobachtet. Design wurde hier schon Anfang des 20. Jahrhunderts großgeschrieben und Künstler engagiert, um Einzigartiges zu schaffen.

Die Kunst der Glasbläserei ist ein Knochenjob
Die Kunst der Glasbläserei ist ein Knochenjob © Simon Paulin/imagebank.sweden.se

Der kleine Ort Kosta ist Heimat der ältesten noch aktiven Glashütte Schwedens, die 1742 gegründet wurde und wo die Marken Kosta Boda und Orrefors bis heute produzieren. Bei Workshops wird man selbst zum Glaskünstler: Kein leichtes Unterfangen, muss doch der heiße Glasballen möglichst ohne Luftblasen gedreht, aus der mehr als 1000 Grad heißen Flamme gehoben und bearbeitet werden. Obwohl Glasbläsermeister Lars Andersson hilfreich zur Seite steht, ist es Knochenarbeit. Die Freude über das laienhafte Werkstück aber umso größer.

Eine, die es kann, ist Hanna Hansdotter, die in der „Glass Factory“, einem Museum und Kompetenzzentrum“ in Boda, ihren Ideen handwerklich und künstlerisch freien Lauf lässt. Im „Museum des Jahres 2019“ werden auch 50.000 Exponate aus Glas ausgestellt – allesamt sehenswert. Wie gesagt, nach Småland lohnt jede Art der Anreise.

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