Hinter den Hügeln der Dehesas taucht die untergehende Sonne den Himmel in ein Farbenspiel aus Orange, Rot und Violett. Der See von Nogales spiegelt das prächtige Licht wider. Unter einer Steineiche hat Pepe Alba Tische aufgestellt und schneidet nun die größte Spezialität der spanischen Extremadura für die Gäste auf. Den Jamón Ibérico.
„Es ist das Beste, etwas dort zu genießen, wo es hergestellt wird“, schwärmt Alba, während er geübt mit dem Messer hauchdünne Stücke vom Schinken abschneidet. Wer ihm gegenüber den zu Hause in Österreich bekannten spanischen „Serrano“ erwähnt, wird gleich belehrt: „Das ist die unterste Schinken-Kategorie. Alles, was nicht in die fünf Qualitätsstufen für Ibérico fällt, ist ein Serrano.“
Der ehemalige Manager aus der Holzbranche hat sich seit Jahren ganz dem regionstypischen Rohschinken aus der Extremadura verschrieben. Er bietet kulinarische Touren und Kurse für den richtigen Schnitt des Jamón an. Denn die kostbaren Schinken in eine Schneidemaschine einzuspannen, kommt für Alba nicht infrage und lässt ihn die Nase rümpfen.
Die dünnen Schnitten müssen mit dem Messer fein abgehobelt werden. „Bei Hochzeiten ist es üblich, dass das Brautpaar einen Jamón Ibérico für die Gäste aufschneidet“, erklärt Marco Mangut, der für Alba übersetzt: „Die Kurse sind daher gut besucht.“
Feine Schweinereien zwischen Eichen
In den Dehesas, der für die Extremadura mit ihren Eichenbäumen typischen Landschaft, weiden die schwarzen Ibérico-Schweine im Freien. Sie ernähren sich von den Eicheln, die für den typischen, nussigen Geschmack des Schinkens sorgen. Gemäß den strengen Richtlinien für den Jamón der obersten Qualitätsstufe muss jedes Tier, das frühestens mit 18 Monaten seinen letzten Weg in den Schlachthof antritt, fünf Hektar Auslauf haben.
Die Extremadura, 200 Kilometer westlich der Hauptstadt Madrid gelegen, bietet genügend Fläche dafür. In der Region, annähernd so groß wie die Niederlande, leben nur etwas mehr als eine Million Menschen. Zwischen den Städten wie Cáceres, Mérida, Badajoz und Zafra erstrecken sich weite, unbewohnte Flächen mit Eichenhainen, Weingärten und Wiesen. „Der Unterschied zu anderen spanischen Regionen ist, dass wir hier ausreichend Wasser haben. Gemeinsam mit der durchschnittlichen Höhenlage von 500 Metern ergibt das ein einzigartiges Klima“, erklärt Mangut.
Diese Weine gibt es nur zum Probieren
Das macht Weine möglich, welche die Sonne in sich aufgesogen haben, im Unterschied zu jenen in anderen südeuropäischen Weinbauregionen aber trotzdem über eine ausgewogene Säure verfügen. Ganze Dörfer, wie etwa Puebla de Sancho Perez, haben sich dem Weinbau verschrieben und bieten unter der Marke „Viña Puebla“ Verkostungen am Hof an.
Junge Winzer wie Fernando Toribio und seine drei Brüder vom gleichnamigen Weingut zeigen sich dabei experimentierfreudig. Sie keltern zuweilen sehr charakterreiche Rotweine, welche sie die Gäste auf ihrem Weingut nur aus dem Fass probieren lassen. „Wir müssen sie erst mit milderen Weinen blenden, weil sie sonst zu dominant und als Speisenbegleiter ungeeignet sind“, erläutert Toribio. Außergewöhnlich ist, dass die Maische nicht in Stahltanks, sondern in Betonfässern gärt. „So verteilt sich die Wärme bei der Gärung gleichmäßiger, was die spezielle Note unserer Weine ausmacht“, ist der Winzer überzeugt.
Wie der Kabeljau in die Küche kommt
Die Küche der Extremadura ist von den regionstypischen Produkten geprägt: Fleisch vom Ibérico-Schwein, Käse aus Schafs-, Ziegen- oder Kuhmilch. Dazu kommt Kabeljau. Dieser war nämlich der einzige Fisch, der über das angrenzende Portugal relativ frisch in der Binnenregion ankam. Der „Bacalao“ ist also in den Gerichten allgegenwärtig, obwohl kein Meer in der Nähe ist.
Mit Weißwein, Sherryessig, Pinienkernen, Rosinen und Kürbisstückchen lässt sich daraus ein herrliches Carpaccio zaubern. In ihrer Kochschule in Mérida bereiten es Josefina Valverde-Grimaldi und Cristina Cle Vicente gemeinsam mit ihren Gästen zu. Diese erfahren beim gemeinschaftlichen Kochen eines viergängigen Menüs so nebenbei die kulinarischen Geheimnisse des spanischen Westens und dass die beiden Mandamás gar keine gelernten Köchinnen sind, sondern vor Jahren der Chefetage einer Bank Lebewohl gesagt haben.
Das Land der Eroberer
Ein Ort für Menschen, die sich neu erfinden, wie man das heutzutage so schön nennt, war die Extremadura schon seit jeher. Die Geschichte einiger mittelalterlicher Eroberer beginnt hier. Der berühmteste davon ist Francisco Pizarro, der das Inkareich ausplünderte und die peruanische Hauptstadt Lima gründete.
Das Haus, in dem der ehemalige Schweinehirte aufwuchs, befindet sich in der Altstadt von Trujillo. Über dem Portal des Casa Pizarro prangt ein aus Stein gehauenes Wappen. „Offiziell zeigt es zwei Bären, doch wer genauer hinschaut, könnte auch zwei Schweine, die eine Steineiche erklimmen, erkennen“, schmunzelt Touristenführerin Sara Rodriguez.
Was der Conquistador von einem solchen Scherz gehalten hätte, zeigt der strenge Blick seiner lebensgroßen Statue auf dem Hauptplatz der historischen Stadt. Wer meint, die Silhouette der den Ort beherrschenden Burg schon einmal gesehen zu haben, liegt nicht falsch. Hier war einer der Drehorte für die Serie „Game Of Thrones“.
Historischer Stadtkern als Unesco-Welterbe
Als mittelalterliche Filmkulisse könnten die meisten Stadtkerne der Extremadura herhalten. Von den Römern über die Westgoten bis zu den Arabern haben hier viele Völker über die Jahrhunderte ihre Spuren hinterlassen. Die Altstadt von Cáceres trägt den Titel des Unesco-Welterbes, ebenso das römische Amphitheater in Mérida. Es ist nach wie vor Schauplatz von Konzerten und Musiktheater.
Der spanische Staat kümmere sich um die Erhaltung der historischen Gebäude, erklärt Sara Rodriguez. Einige von ihnen wurden in Hotels – Parador genannt – umgewandelt. So etwa im ehemaligen Alcázar im Zentrum von Zafra, wo es sich äußerst herrschaftlich nächtigen lässt. In der Stadt mit ihrer Handelstradition findet seit 1453 alljährlich der älteste Viehmarkt Spaniens statt. Ein Erlebnis.
Sevilla lockt mit Sehenswürdigkeiten bei der Abreise
Die An- oder Abreise über Sevilla lässt sich wunderbar mit einer Stadtbesichtigung verbinden. „Sevilla ist die größte monumentale Stadt Spaniens. 101 Gebäude gibt es hier zu besichtigen“, schwärmt Manuel Viñuelas vom Tourismusbüro. Er hat sogar schon US-Präsident Barack Obama durch die Sehenswürdigkeiten geführt.
Wie gut, dass die beiden bekanntesten gleich benachbart liegen: Vom Alcázar-Palast, den die spanische Königsfamilie noch regelmäßig bewohnt, sind es nur ein paar Schritte zur gotischen Kathedrale, einer der größten Kirchen der Welt.
Die pulsierende Stadt steht im Kontrast zur beschaulichen Extremadura, die vieles gerne für sich behält. Denn, wie Pepe Alba sagte, die besten Dinge kann man nicht exportieren. Sie sollen dort genossen werden, wo sie herkommen.