Zweimal musste die 20-sitzige Maschine durchstarten, dann entschied sich der Pilot für die Nachbarinsel. Nicht ob der Sicht, unvermuteter Hindernisse an der Landestelle, eines Gebrechens am Fahrwerk. Der Wellengang war zu hoch für die Landung im azurblauen Wasser der Malediven. Mit einstündiger Verspätung wird der Begrüßungscocktail serviert. Das paradiesische Setting inmitten des Indischen Ozeans entschädigt für den kleinen Umweg, die letzten Kilometer mussten mit dem Boot zurückgelegt werden.
Die traumhafte Kulisse vertreibt zunächst das schlechte Gewissen: ob im Zeitalter des Klimawandels ein Trip auf eine so fragile Inselkette, deren Ministerpräsident einmal einen Ministerrat unter Wasser abgehalten hat, um die Welt vor dem Ansteigen des Meeresspiegels zu warnen, zu verantworten ist?
Noch dazu liegt das einmalige Westin Hotel inmitten des einzigartigen Baa-Atolls, das von der Unesco wegen seiner ausgedehnten Korallenriffe und Mangrovenwälder als international geschütztes Biosphärenreservat ausgeschildert wird. Mit etwas Glück stößt man, wenn man in den Morgenstunden von der eigenen Villa die Leiter ins gar nicht so kühle Nass steigt, auf Meeresschildkröte, Manta-Rochen oder einen seltenen Walhai.
Brendan Corcoran, der rührige Generalmanager der Resorts, der fließend Deutsch spricht, beteuert, dass die 2018 fertiggestellte Anlage den strengsten ökologischen Auflagen gerecht wird. Die Baucontainer wurden in einen Lagerraum für die Tauchschule umfunktioniert, Wasser werde zu 100 Prozent recycelt, Plastikflaschen seien auf der Insel tabu. Und für den Ausflug zum spektakulären Tauchgang sind bald Elektroboote im Einsatz.
Wie vielfach auf den Malediven hat auch das Westin eine eigene Insel für sich okkupiert. Mäßige Jogger laufen Miriandhoo in zehn Minuten ab, den weit ins Meer hinausragenden, ellipsenförmig angelegten Fußgängersteg eingeschlossen, von dem aus die Nobelunterkünfte erreichbar sind. Ein Rundgang empfiehlt sich nicht nur für Kunst- und Kulturaffine.
Für Konzeption und Design der gesamten Anlage zeichnete Giampiero Peia verantwortlich. Ehe der bekannte Mailänder Architekt zu Block und Bleistift griff, um einen ersten Entwurf zu erstellen, ließ er sich – wie einst Robinson Crusoe, allerdings freiwillig – auf dem einst unbewohnten Eiland aussetzen. Für einen halben Tag. „Was ich überall antraf, waren große, bauchige Muscheln auf dem blütenweißen Strand.“
Peia hat auf Miriandhoo ein Gesamtkunstwerk hingezaubert. Unter Verwendung von dunklem Holz bediente sich der Architekt bei der Gestaltung der Insel der konkaven Formensprache und schafft damit ein edles Ambiente. Mehrere Restaurants und Bars, die sogar steirische Weine – zu äußerst stolzen Preisen – servieren, sorgen für das leibliche Wohl, ein prächtiges Fitnessstudio unter Palmen, ein ausgedehnter Spa-Bereich für das körperliche Wohlbefinden.
Wer es familienfreundlicher, günstiger, nicht minder exklusiv haben will, erreicht vom internationalen Flughafen in Malé aus mit dem Schnellboot in einer Viertelstunde das Sheraton Full Moon auf Furanafushi. Um 20 Millionen Dollar wurde das drittälteste Resort des Inselstaates komplett renoviert. Sportfreaks kommen hier auf ihre Rechnung. Dass man mit Jetskis das Meer durchpflügen kann, gehört zum Selbstverständlichen. Wer durch die tropischen Lüfte schweben will, kann mit dem Flyboard abheben – ein Instruktor sorgt dafür, dass der unfreiwillige Köpfler die Ausnahme ist.
Das Westin ist zwar deutlich entlegener, wer das Gefühl der Ausgesetztheit inmitten des Indischen Ozeans erfahren will, ist im Full Moon aber genau richtig. Mit dem Speedboot geht es rund eine Stunde lang in die endlose Weite, ehe am Horizont eine kaum sichtbare Wölbung auftaucht. Zwei Fußballfelder misst die einsame Sandbank.
Knapp vor der Ankunft haben flinke Mitarbeiter des Hotels zwischen Schirmen und Handtüchern köstliche Häppchen im Schatten drapiert. Drei, viermal im Jahr, erzählt der Chefmanager, wird die Sandbank für den großen Moment genutzt – für Frischverliebte, die in einem besonders spektakulären Ambiente mit oder ohne Anhang den Bund fürs Leben schließen wollen. Auf die Blasmusik muss freilich verzichtet werden.
Nicht minder spektakulär fällt Weihnachten im Full Moon aus. Vor allem Familien mit Kindern lassen sich am Christtag auf die Sandbank kutschieren, auf den Malediven kommt Santa Claus nicht durch den Schornstein, sondern mit dem Fallschirm – vom Motorboot gezogen. Bei böigem Wind kann es schon passieren, dass der Weihnachtsmann, der dem Parasailing frönt, keine Punktlandung auf der Insel hinlegt, sondern im Wasser landet. Dem Vernehmen nach ist es noch nie passiert, dass Santa Claus die Kinder mit durchnässten Packerln beschenkt.
Vom Full Moon lässt sich auch die maledivische Gegenwelt erkunden, die Hauptstadt Malé, die in manchen Rankings als die am dichtesten bevölkerte Stadt der Welt aufgelistet wird. Die 150.000 Bewohner sind auf fünf Quadratkilometer zusammengepfercht, der erste Wiener Bezirk misst drei Quadratkilometer – bei 16.000 Einwohnern. Das Ambiente ist zwar höchst exotisch, aber vom Wohlstand, den der Tourismus erwirtschaftet, scheinen weite Bevölkerungsschichten wenig abzubekommen. Kein Boot fährt nach Thilafushi: Die 50 Hektar große Insel gilt als die größte Müllinsel der Welt.