Lignano Sabbiadoro. Schon der Name verhieß das Paradies. Es schmeckte nach Schokoladeneis, das über die Finger troff, es roch nach frittierten Fischen, die man mit Schwanz und Augen vertilgte, es klang nach dem markerschütternden „Coocooo beellooo“ des Strandverkäufers und fühlte sich an wie der wolkengleiche Sand, an dem man sich die Fußsohlen verbrannte. Und dann gab es noch diese zauberhaften Holzsandalen mit kleinen Absätzen - das Nonplusultra für eine Fünfjährige. Diese ersten Stöckelschuhe in Größe 28 bildeten ungelogen die Basis für einen lebenslangen Schuhtick.
Es gehörte zu den Höhepunkten des Jahres, wenn wir um vier Uhr früh aufbrachen und nach sieben Stunden Fahrt in Lignano eintrafen. Nach einem wunderbaren Tag am Strand ging es mit hummerroter Haut, Unmengen an Pasta im Bauch und einem neuen Paar Stöckelschuhen wieder nach Hause.
Stammgast in Lignano bin ich dennoch nicht geworden, zu verlockend war die Welt. Nach vielen Jahren fand ich jetzt mein Lignano fast wieder. Die Schirme immer noch in Reih und Glied, der Sand wolkengleich und die Hotels mit wenig zeitgemäßen Neuerungen. Mit dem Unterschied, dass Lignano heute einen Katzensprung von drei Stunden entfernt ist, einen mit allem Hundekomfort ausgestatteten „Doggy-Beach“ hat, dass es statt „Wurstel con Crauti“ schicke, wunderbare Restaurants und Osterien mit frischem Meeresgetier gibt und Geschäfte, die man auch in Rom finden würde.
Und da ist noch die andere Seite: die unentdeckte, romantische, mit dschungelartiger Natur. Man braucht sich nur eines der Räder (auch mit Elektroantrieb) zu schnappen und den Lungomare entlang rund um die Lagune etwa 17 Kilometer zu radeln. Da erlebt man Ausblicke, die man hier nicht vermuten würde. Dichte Tamariskengürtel, Mohnfelder, Pferdekoppeln, Möwen und Kormorane, Lagunenfalken, die irritiert aus dem Schilf auffliegen. Man fährt vorbei an Bausünden der 1960er-Jahre, an Erholungsheimen mit singenden Kindern und durch dichte Pinienwälder von Lignano Pineta und Riviera.
„Salvatore“ ist die andere Option. Der Captain schippert uns mit dem Boot amerikanischer Bauart zur Muschelinsel, einem naturbelassenen Robinson-Eiland, oder gleitet das Naturreservat der Stella empor. Dort wartet Daniele - das Gesicht gemeißelt, wie der Jüngling von Florenz - um die alte Fischereimethode für Touristen zu demonstrieren. Ein Netz (Bilancia) wird in den Fluss gesenkt und beim Herausholen verfangen sich gemischte Fische darin: Süß- und Salzwasserfische, wie Aal und Branzin. Die schilfgedeckten Casoni ohne Kamin vermitteln einen Eindruck vom harten Leben der Lagunen-Fischer. Heute sind sie nur noch zum Anschauen, denn die Fischer von einst frittieren in der Osteria Sardinen oder verkaufen Strandschlapfen am Corso. Leider heutzutage ohne kleine Absätze.
Elisabeth Tschernitz-Berger