Wenn Yanis Zirnis über Epirus spricht, will er gar nichts beschönigen. „Es ist die kleinste und ärmste Region Griechenlands.“ Tourismus? „So gut wie nicht vorhanden.“ Verdient habe sich Epirus das aber nicht. „Wir haben viel zu bieten. Seen, Flüsse, Gebirge, traumhafte Strände“, sagt Zirnis, der es sich mit dem Verein „Diazoma“ (gegründet von Ex-Kulturminister Stavros Benos) zur Aufgabe gemacht hat, Epirus als Reisedestination bekannter zu machen.
Ein Projekt dafür ist die „Ancient Theaters Tour“: eine Reise zu den antiken Stätten, denen in den vergangenen sieben Jahren neues Leben eingehaucht wurde. Statt am Strand liegen also eine Entdeckungsreise durch 2500 Jahre griechische Geschichte. Ausgangspunkt dafür ist die Hauptstadt Ioannina, am 20 Quadratkilometer großen Pamvotida-See gelegen.
Von hier aus sind die antiken Stätten gut zu erreichen. Beginnen wir mit der Spektakulärsten: Kassope. „Von Aristoteles gibt es eine Beschreibung der perfekten Stadt und Kassope wurde nach diesem Vorbild gebaut“, erzählt Archäologin Dimitra Drosou. Auf einem Hochplateau angesiedelt, ist Kassope ein Ort, der die Fantasie beflügelt. Man stellt sich vor, wie die Menschen hier gelebt haben, wie sie vor ihren Häusern saßen und auf das Ionische Meer und den Golf von Ambrakia hinunterblickten. Wie sie abends zum riesigen Theater oberhalb ihrer Stadt pilgerten. „Es gibt wohl kein Theater mit schönerer Aussicht“, sagt Drosou.
Wie müssen sie sich gefühlt haben, als sie 31 vor Christus zwangsübersiedelt wurden? Und zwar in die damals neu gegründete Stadt Nikopolis, die seit 2012 Schritt für Schritt aus der Erde gebuddelt wird und ebenfalls Teil der Tour ist. Wie auch das Totenorakel Nekromanteion, wo sich bereits Odysseus nach dem Weg zurück nach Ithaka erkundigt haben soll. Wissenschaftlich ist das zwar widerlegt, aber wen kümmert's? Eine Treppe führt hinunter in die Unterwelt: ein in Stein gehauener Raum, in dem es kein Echo gibt. Man hat Odysseus förmlich vor Augen, wie er hier, unter Drogen gesetzt, dem Orakel lauschte - Wissenschaft hin oder her.
Die Tour führt auch zu den Theatern Gitana und Dodona. Aber weil man es sich als Lebender auch gut gehen lassen soll, lohnt sich ein Abstecher in das romantische Städtchen Parga, wo man unbedingt das Olivenöl-Museum von Ilias Liakris besuchen und eine Flasche Öl aus Wildoliven mitnehmen sollte. Zu schön, um nicht hinzufahren, ist auch die Insel Koronisia im Ambrakischen Golf. Eine schmale Straße führt dorthin, am besten immer wieder Stopps einlegen, um in den Lagunen zu wandern. Im gleichnamigen Ort gibt es einige Tavernen, die mit Fisch-Spezialitäten aufwarten. Mit etwas Glück bekommt man „Avgotaraho“ serviert: griechischen Kaviar aus den Rogen der Meeräsche.
So gestärkt, kann man sich wieder auf die Spuren vergangener Zeiten machen. Etwa nach Arta, das nicht nur mit einem antiken Friedhof, sondern auch mit einer großen Bogenbrücke über den Fluss Arachthos, der die Welt der Toten und Lebenden verbindet, aufwartet. Epirus kann viel. Da hat Zirnis nicht zu viel versprochen.
Harald Schwinger