Die matschige Erdrinne, die rund 50 Meter den fast senkrechten Hang hinunter führt, sieht bedrohlich aus. Zu einem Strang geflochtene Lianen und ein vergilbtes Kletterseil sollen einen unfallfreien Abstieg ermöglichen. Es ist die letzte Herausforderung eines anstrengenden Tages im Dschungel von Sumatra im Westen Indonesiens. Das aus Planen gebaute Nachtlager ist nicht mehr fern.
„Immerhin gibt es ein Seil. Das hätte ich mir schon in der Früh gewünscht“, beweist ein Mitreisender vor der riskanten Rutschpartie Galgenhumor. Gut sieben Stunden bergauf, bergab, durch dichten Urwald, über wucherndes Wurzelwerk und glitschiges Erdreich liegen hinter der kleinen Gruppe bestehend aus vier Wanderern und zwei Führern. Der Tag hat Spuren hinterlassen: Verschwitzt, schmutzig, Schrammen auf der Haut. Ein Besuch bei den letzten wild lebenden Orang Utans will erarbeitet werden.
Zwischen Dschungel und Palmölplantagen
Startpunkt war Bukit Lawang am Bohorok Fluss. Das kleine Dorf liegt an der Grenze zwischen dem Gunung Leuser Nationalpark und ausgedehnten Palmölplantagen – geradezu beängstigenden Monokulturen, für die immer mehr Urwald den Feuertod durch Menschenhand stirbt. In Bukit Lawang will man die weitere Zerstörung der Natur verhindern, hier lebt man gut vom Ökotourismus. Begonnen hat alles mit einem in den 1970er Jahren gegründeten Rehabilitationszentrum für Orang Utans. Hier wurden als Haustiere gehaltene Orang Utans, deren Name wörtlich aus dem Malaiischen übersetzt „Waldmensch“ bedeutet, für die Auswilderung vorbereitet und Waisen großgezogen. Die stark bedrohten Primaten gibt es nur noch auf Sumatra und Borneo.
Aug' in Aug' mit Orang Utans
Die Tiere in diesem Teil des Gunung Leuser Nationalparks sind die Anwesenheit ihrer menschlichen Verwandten gewohnt. Das ermöglicht außergewöhnlich nahe Begegnungen. Muttertiere lassen ihre Jungen entspannt zwischen den Besuchern tollen. Wer einmal in die großen braunen Augen der kraftvollen „Waldmenschen“ geblickt hat, kommt nachhaltig verändert und mit einem tieferen Verständnis für die Natur aus dem Dschungel zurück.
Nach der Nacht im rudimentären Camp und weiteren tierischen Begegnungen geht es rasant zurück nach Bukit Lawang: Auf großen Rafting-Reifen manövrieren die Guides johlend ihre Gäste durch die wilden Wasser des Bohorok ins Dorf.
Im Drachenland
Im Osten Indonesiens wartet ein gänzlich anderes Naturwunder darauf, entdeckt zu werden. Von Labuan Bajo auf Flores geht es mit dem Schiff ins Inselreich des Komodo-Nationalparks. Europäische Forscher kamen vor gut einhundert Jahren hierher, um den Geschichten von Drachen, die die Inseln bewohnen sollten, auf den Grund zu gehen. Sie hielten die Berichte der Einheimischen für übertrieben – und staunten nicht schlecht, als sie auf die größten lebenden Echsen der Welt trafen. Komodowarane werden bis zu drei Meter lang und über 70 Kilogramm schwer. Die großen Fleischfresser, von denen es nur noch 3000 bis 4000 Exemplare gibt, schlagen mithilfe eines in Drüsen in ihrem Unterkiefer produzierten Gifts große Beute wie Hirsche, Wasserbüffel und Wildschweine. Nach einem Biss kann es Wochen dauern, bis ein Tier verendet. Die Warane folgen ihnen bis zum bitteren Ende.
Bei Wanderungen auf Komodo und Rinca kommt man den Drachen ganz nah. „Wenn ein großer Waran euch folgt, klettert schnell auf einen Baum. Wenn ihr von einem kleineren ins Visier genommen werdet, lauft zickzack“, erklären die Ranger. Sie halten zu neugierige Echsen mit langen Holzstöcken von den Besuchern fern, die sich mit anhaltender Gänsehaut durch das Land der Riesenechsen bewegen.
Tierreiche Tiefen
Neben den Drachen lockt die intakte Unterwasserwelt in den Nationalpark. „Die wichtigste Regel lautet: Berührt die Mantas nicht“, stellt Mike klar. Der Kanadier mit den stahlblauen Augen und dem Surfer-Look hat sich zusammen mit seiner französischen Frau Claire 2015 den Traum einer Tauchschule in Labuan Bajo erfüllt. Auf den ersten Blick ist in Komodo auch unter Wasser fast alles größer als anderswo: Korallen, Muscheln, Schildkröten, Haie. Und natürlich die majestätischen Riesenmantas mit einer Spannweite von bis zu sieben Metern, die sich den Tauchern interessiert nähern. Doch auch im Makrobereich zeigen sich die teils sehr strömungsintensiven Tiefen vielfältig.
Ob Waldmenschen, Drachen oder bunte Unterwasserwelt: Für jene, die das Abenteuer nicht scheuen, bietet Indonesiens Inselreich Naturerlebnisse der unvergesslichen Art.