Anfang Oktober ist auch der Sommer auf den Bergweiden endgültig vorbei und der traditionelle Almabtrieb steht auf dem Programm. Die Kühe vom Königssee im Berchtesgadener Land in Südbayern sind im gesamten Alpenraum aber die einzigen, die auf dem Weg in den heimischen Stall tatsächlich eine Bootsfahrt zurücklegen.
„Seit Mitte Mai verbrachte das Vieh den Sommer auf den saftigen Weideflächen der Almen am Südufer des Königssees und des Obersees“, sagt Senner Tobias Thoma. Der gelernte Bankkaufmann war heuer das erste Mal mit den Rindern auf „Sommerfrische“.
Jetzt im Herbst rücken – wie auch im Frühjahr für den Almauftrieb – die klassischen, hölzernen, sogenannten Landauer der Königssee-Schifffahrt an, um das Almvieh und die Senner nach Hause zu bringen. „Ob die Kühe auf einen Viehtransporter steigen oder auf ein Boot, macht von der Aufregung her keinen Unterschied“, sagt Max Hofreiter, einer von drei Bauern, der seine Kühe zur Sommerfrische auf die Almen rund um die bayrischen Seen schickt und daher den „schwimmenden“ Almabtrieb jährlich erlebt. Das Übersetzen dauert etwa eine Stunde. Beim Bootstransfer sei noch nie etwas passiert. „Kühe können ja schließlich schwimmen“, schmunzelt Thoma.
Bunter Blumenschmuck
Geschmückt werden die Tiere für den Almabtrieb jedoch erst, wenn sie die Bootsfahrt hinter sich und wieder festen Boden unter den Klauen haben. Und das auch nur, wenn im Sommer kein Unglück passiert ist: „Es kann schon einmal vorkommen, dass eine Kuh abstürzt oder ein totes Kalb auf der Alm geboren wird. Dann gibt es kein Aufkranzen“, sagt Thoma. Dann wäre auch die ganze Arbeit umsonst gewesen, denn: Ab 24. August, dem Namenstag des heiligen Bartholomäus, legen die Bauern für das Basteln der sogenannten „Fuikln“, also des farbenprächtigen Kopfschmucks für die Kühe, Nachtschichten ein.
Dazu werden Äste von Fichtenbäumchen gebunden und aufwendig mit handgearbeiteten Blumen und Rosetten verziert. „Besonders das Falten der bis zu 200 Rosetten aus fein gehobelten und eingefärbten Holzspänen erfordert Geduld und Fingerspitzengefühl“, kann Thoma über die „Schwerstarbeit“ berichten.
Der 24-Jährige hat seinen ersten Sommer auf dem sogenannten Kaser, der Almhütte, verbracht: „Ich stamme aus einer Landwirtschaft und wollte das immer schon einmal machen. Ich genieße die Ruhe, auch wenn tagsüber, vor allem in den Ferien, viele Touristen kommen“, erzählt Thoma. Wenn aber das letzte Schiff am Nachmittag ausläuft, dann kehrt wieder Ruhe in die abgeschiedene Almhütte am Ende des Königssees ein.
Thoma hofft, auch nächsten Sommer wieder einen dieser begehrten Sommerjobs zu ergattern: „Ich will auf jeden Fall wieder hierherkommen.“ Als Senner vom Königssee.
Diese Reise wurde unterstützt von Berchtesgadener Land Tourismus.
Julia Baumgartner