Früher fuhr man mit den Eltern nach „Jugo“, meist war das auch damals schon Kroatien. Die Küstenstraße schlängelte sich mörderisch an den Klippen entlang, der Magen schlängelte sich krampfhaft den Hals hoch; der Papa am Steuer fluchte, die Mama stöhnte, die Gesichtsfarbe des Buben am Rücksitz wechselte vom Aschfahlen ins Grünliche.

Am Urlaubsort angekommen, war dann alles Ungemach vergessen. Sonne und Salz brannten auf der Haut, die öligen Cevapcici flutschten über den Gaumen, und beim abendlichen Spaziergang an der Strandpromenade erstand man an den Souvenirständen Krimskrams, das zuhause sofort in irgendwelchen Schubladen verschwand.

So war das damals.
So ist das heute.
Zumindest in Medulin.

Natürlich ist man auch hier touristisch längst im 21. Jahrhundert angekommen, aber dennoch scheint die Zeit auf wundersame Weise auf Stand-by zu stehen. „Der bekannte Badeort liegt an der Südspitze von Istrien. Der Ort verfügt über eine prächtig gegliederte lange Küste und ist von einer Kette kleiner Inseln umgeben.“ Sagt der Reiseführer. „Kenne ich alles, war schon zigmal dort“, sagen viele Österreicher. „Hausmeisterstrand“ hat man früher abschätzig solche Destinationen genannt, an denen sich das gemeine Volk seinen Traum vom Süden erfüllte.

Dass dieser Ort und seine Umgebung trotz Modernität noch immer einen sentimentalen Flair von anno dazumal ausstrahlt, macht seinen besonderen Reiz aus. Hier ist nichts aufgetakelt, nichts grell geschminkt; Medulin hat die Anmutung einer ganzen normalen Durchschnittsfrau, die mit ihrer authentischen Schönheit beeindruckt. Nicht das aufgeblasene Mondäne trifft man hier, sondern das sympathische Mittelmaß. Das kann so maßlos glücklich machen.

Ruhestunden unter dem Olivenbaum

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So wenig passiert hier, so viel ist das. Frühstück im Haus am Meer, Ruhestunden unter dem Olivenbaum. Schläfriges Schlendern am Kieselstrand. „Kava?“, fragt Franjo am Imbissstand. Bereits am zweiten Tag hat sich sein herber kroatischer Charme in ein freundliches Lächeln verwandelt.

Hotelmäßig ist Medulin natürlich bestens ausgestattet. Ein "eigenes Haus" am Meer - auch wenn es nur gemietet ist - vermittelt allerdings ein ganz anderes Urlaubsgefühl. Das Haus ist ein Villa; neu errichtet, aber dennoch nicht modernistisch kalt. Auf der riesigen Terrasse mit Blick aufs Meer lässt sich der Tag gut beginnen - und mit einem üppigen Frühstück sanft umarmen. Der Pool ist nur wenige Schritte entfernt, der Rasen ist sattgrün. Falls es Probleme gibt (was nie vorkommt), ist ein dienstbarer Geist zur Stelle. My Home is my Castle - das Britische in mir lässt sich auch hier nicht leugnen.


Aus der Musikbox plätschern Hits aus den 70er-Jahren, am Horizont spiegeln sich kleine Inseln wie Spiegeleier; große Jachten sind man hier selten, stattdessen gibt es Schlauchboote und Männer mit Ruderleiberl. Kinder lassen flache Steine über das Wasser hüpfen, Frauen beordern die starken Ruderhände auf ihre Rücken: „Einschmieren, bitte.“ Zu Mittag dann fragt Franjo: „Cevap?“ Am Nachmittag ist viel zu tun: nämlich nichts. Auch das will gelernt sein, hierorts gibt es gute Lehrmeister.

Yogaübungen müssen nicht sein

© Bernd Melichar

Ganz bleibt auch Medulin nicht von zeitgenössischen Torheiten verschont. „SUP Yoga“ ist auf einem Schild an der Promenade zu lesen. Der Betrachter ist ein personifiziertes Fragezeichen, der erklärende Muskelmann ein wortreiches Rufzeichen: „Stand Up Paddling“, klärt er auf. Soll also heißen: Man stellt sich auf ein Surfbrett, paddelt durch die Wellen und betreibt gleichzeitig Yogaübungen. Ich stelle mir das lustig vor, aber man muss ja nicht überall dabei sein.
Der Ort Medulin selbst ruht schläfrig auf einer kleinen Anhöhe, rund 1800 Einwohner mischen sich unter die Touristen. Viel gibt es auch hier nicht, aber das reicht. Eine Kirche, ein Lebensmittelladen, einige Restaurants. In den schmalen Gassen alte Frauen, die auf wackeligen Holzstühlen in den Abendhimmel schauen.