In Saint Helier geht alles langsam. Sehr langsam. Es herrscht eine Dichte an Luxuskarossen wie vor dem Casino in Monte Carlo, aber mehr als 55 km/h sind auf der Insel nirgendwo erlaubt. In der Steueroase Jersey parken Betuchte eben nicht nur ihr Geld.

Aber mit dem Schleichen kann man sich arrangieren. Es kommt ja immer darauf an, wo man schleicht. Die Kanalinseln werden vom Golfstrom umschmeichelt, weshalb zu Weihnachten Kamelien blühen und man sich auf Stränden wie St. Brelade's oder Ouen's Bay zwischen Palmen, Drachenbäumen und Natternköpfen weit südlicher wähnt.

Wo vor ein paar Stunden noch Sandsicheln glitzerten, schillert jetzt das türkisblaue Meer. Jersey hat mit rund zwölf Metern die dritthöchsten Gezeiten der Welt. "Ein paar Mal im Jahr wachst du auf Jersey auf und die Fläche der Insel ist doppelt so groß wie bei Flut", sagt Fischer Sean Faulkner, der seit 1980 das Lokal "The Vivier" bei L'Etacq betreibt und dort fangfrische Austern serviert. In einem Bunker am Strand.

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Davon gibt es einige auf den Kanalinseln, die am 28. Juni 1940 kampflos den deutschen Truppen übergeben und von knapp einer halben Million Kubikmeter Stahlbeton überrollt wurden. Heute macht man das Beste draus. Wie Sean Faulkner. Oder wie bei den Jersey War Tunnels, die heute die meistbesuchte Attraktion der Insel sind.

Wer hat die besten Kühe: Die Rinder von Jersey und Guernsey (Bild) sind Zankapfel der Inselbewohner
Wer hat die besten Kühe: Die Rinder von Jersey und Guernsey (Bild) sind Zankapfel der Inselbewohner © (c) Chris George Photography/VISIT GUERNSEY

Auch die Franzosen wollten die seit dem 11. Jahrhundert zu England gehörenden Inseln immer wieder einheimsen. Aus kulinarischer Sicht muss man über die regelmäßigen Besuche der Grande Nation froh sein.

In der viktorianischen Markthalle von Saint Helier leuchten die Panzer der Hummer, fröhlich rascheln die Frühkartoffeln "Jersey Royals" in Papiersackerln, cremig bauscht sich das frisch gerührte Eis aus der Milch der Jersey-Kühe. Letztere gelten als eine der ältesten Rinderrassen der Welt - und auch als hübscheste. Zumindest für die Jerseyaner.

Nach der Überfahrt auf die Insel Guernsey erschüttert Tourguide Tony sofort dieses frischgebackene Weltbild. "Die Guernsey-Kühe sind natürlich die hübschesten. Und die beste Milch geben sie sowieso."

Die Inseln pflegen einen gesunden Wettbewerb. Jersey mag die größere und mondänere sein, dafür ist das Hinterland ihrer kleinen Schwester ein einziger Garten, in dem verwunschene Cottages hausen.

Wildromatisch. Die Küste von Guernsey
Wildromatisch. Die Küste von Guernsey © (c) Chris George Photography/VISIT GUERNSEY

Guernsey hat wie Jersey auch ein eigenes Pfund, das im Wert an das britische gebunden ist. Weshalb man sich beim Blick in die Auslagen der Immobilienmakler einen ähnlichen Schreck holt wie beim Kanonensalut, der täglich um Punkt 12 Uhr von Castle Cornet im Inselhauptort Saint Peter Port abgefeuert wird.

Der Markt ist streng reglementiert. Preiswertere Häuser bleiben den Einheimischen vorbehalten, während man als Auswärtiger mit dem Zählen der Nullen kaum nachkommt. Schade. Auf den Kanalinseln sollte man nämlich nicht nur sein Geld parken.