Es ist ziemlich feucht in der oft sogenannten „Trockenen Halong-Bucht“. Spätestens wenn man in eines der wackeligen Ruderboote, die traditionellen Sampans, steigt und sich gemächlich durch eine Landschaft aus hoch aufragenden Karstbergen, sattgrünen Regenwäldern und labyrinthartigen Höhlensystemen rudern lässt, wird schnell klar: Wasser ist hier das dominierende Element. Aber anders als die große Schwester, die bekannte Halong-Bucht – einer der stärksten Besuchermagneten des Landes – liegt die Trockene Halong-Bucht, bekannt auch als Tràng An, nicht am Meer. Sie liegt in Zentralvietnam südlich von Hanoi.

Die Region ist durchzogen vom weit verzweigten Delta des Roten Flusses, der im Laufe der Zeit diese außergewöhnliche Landschaft geformt hat. Den Vergleich mit ihrer berühmten Namensvetterin mit ihren Kalksteinfelsen im smaragdgrünen Golf von Tonkin muss die Trockene Halong-Bucht nicht scheuen. Und ihre Lage hat Vorteile.

Der Landschaftskomplex von Tràng An ist nicht so überlaufen, sagt Quy Vu. „Und Kreuzfahrtschiffe gibt es hier auch nicht.“ Der 34-Jährige stammt aus Ninh Bình und bringt mehrmals die Woche Gäste aus dem 100 Kilometer entfernten Hanoi in seine Heimat. Etwa zweieinhalb Stunden fährt man mit dem Bus. Kaum sind die letzten Vororte der quirligen Hauptstadt mit ihren laut hupenden Mopeds passiert, ziehen Reisfelder vorüber, dösen Wasserbüffel in der Sonne, sitzen Menschen in den Straßendörfern vor Läden und Werkstätten. Es geht gemächlich zu, den schwül-heißen Temperaturen angepasst.

Kopf einziehen – es geht in die Höhle

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Zwischenzeitlich etwas hektischer ist es am Bootsanleger von Tràng An, nur wenige Kilometer von der Provinzhauptstadt Ninh Bình entfernt. Hier, im Süden des Deltas, starten die Bootstouren in die weitläufige Karstlandschaft von Tràng An, die 2014 von der Unesco zum Welterbe erklärt wurde. Aufgereiht schaukeln die bunten Sampans auf dem Wasser. Boote kommen an und legen mit neuen Gästen an Bord wieder ab. Schnell muss es gehen, die Touren sind durchgetaktet, schon um Staus vor den Höhleneingängen zu vermeiden.

Dann kehrt Stille ein – bis sie ein kollektives „Ah“ durchbricht, als das Boot eine scheinbar direkt im Wasser erbaute Pagode umrundet. „Kopf einziehen“, ruft Quy Vu, während der Bootsführer einen kaum erkennbaren Felsspalt ansteuert und der flache Kahn lautlos in die 320 Meter lange Höhle Hang Thánh Trượt gleitet. Es ist die längste der neun Tropfsteinhöhlen, die auf der dreistündigen Tour durchquert werden.

Raus aus dem Boot, rein in den Suối Tiên-Tempel, heißt es bei einem Zwischenstopp mit Landgang. Ein paar Stufen führen zu dem palastartigen Holzbau mit Pagodendach, in dessen Innerem Besucher vor verzierten goldenen Statuen knien und beten. Einen kurzen Fußmarsch weiter kommt Địa Linh in den Blick. Bauchig wie ein Federkiel ragt der Berg senkrecht aus dem Wasser. Er gehört zu den bekanntesten Fotomotiven der Region.

Dass diese Landschaft filmreif ist, erkannte auch Hollywood-Regisseur Jordan Vogt-Roberts und wählte Tràng An 2017 als Drehort für seinen Film „Kong: Skull Island“. Dem berühmten Riesenaffen King Kong begegnet man zwar nicht, aber das eigens für den Fantasy-Streifen errichtete Kulissendorf mit seinen Strohhütten kann noch besichtigt werden.

Attraktionen wie solche, die Aufnahme in das Welterbe, die Landschaft – so etwas spricht sich herum, werden in den sozialen Medien zigfach geteilt. So bereitet sich die Region auf steigende Besucherzahlen vor. Auch Quy Vu möchte demnächst ein Bed and Breakfast eröffnen, vielleicht sogar mit einem kleinen Restaurant. Zugleich habe der Unesco-Titel das Bewusstsein geschärft: „Wir setzen auf sanften Tourismus, wollen weder unkontrollierte Bauwut noch Vermüllung.“

Radtour zu alten Königsstadt

Wer Tràng An erkundet, kann vom Boot aufs Fahrrad umsteigen. Schmale Nebenstraßen führen durch Siedlungen mit kleinen Höfen, vorbei an Gemüsegärten und Reisfeldern, eingerahmt von tropisch bewaldeten Bergen. Ziel unserer Tour ist die alte Königsstadt Hoa Lư, die 968 nach Christus als Militärfestung gebaut wurde und ihre Blütezeit unter den Đinh-, Lê und Lý-Dynastien im 11. Jahrhundert erlebte.

Zwei Tempelanlagen wurden im 17. Jahrhundert auf alten Fundamentresten wiederaufgebaut. Heute sind sie Schauplatz für spirituelle und kulturelle Veranstaltungen, von denen das jährliche Hoa Lư-Festival im April das größte und mit einer Tradition von rund 1000 Jahren das Bekannteste ist.

Ob im Boot oder im Sattel unterwegs: In den steilen Felswänden sieht man sie kraxeln: wilde Bergziegen. Sie sind das inoffizielle Wappentier von Ninh Bình, aber auch eine kulinarische Spezialität. „Man ist eigentlich nicht hier gewesen, wenn man Ziege nicht probiert hat“, sagt Nguyễn Văn Quyết, Chef des Restaurants „Thăng Long“. Dort ist man auf Ziegengerichte spezialisiert. Und auf große Reisegruppen, die sich an den langen Tischen stärken. Der kleine Souvenirshop hält einen thematisch passenden Hingucker bereit: hausgemachter Reiswein mit eingelegtem Ingwer, Äpfeln und Ziegenpenis – laut dem Chef „ein Kraft- und Potenzmittel für Männer.“

Schweißtreibender Aufstieg

Egal, ob Mann oder Frau – für den anschließenden Marsch zur etwa zehn Kilometer entfernten Hang Múa werden Kräfte dringend benötigt. Dabei ist nicht die Höhle das Highlight, sondern die Aussichtsplattform auf dem rund 65 Meter hohen Berg darüber.

500 steile Stufen führen zur Spitze, ein schweißtreibender Aufstieg bei hoher Luftfeuchtigkeit, der regelmäßige Trinkpausen erfordert. Doch der spektakuläre 360-Grad-Blick auf das scheinbar endlose Karstgebirge, die leuchtend grünen Reisfelder und die mäandernden Flussläufe entschädigt für die Strapazen.

Mit der Tiefe einer barocken Kulissenbühne präsentiert sich eine Landschaft, die nicht ohne Grund zu den schönsten Vietnams zählt. Und eines ist sie ganz sicher nicht, wie es auch der Blick von oben bestätigt: trocken.