Am Anfang sind es nur zwei Punkte tief unten im Douro-Tal, die sich heraufschrauben. Bald darauf gleiten die beiden Steinadler über uns hinweg. Hoch über dem Canyon kreisen die großen Vögel im Laufe der Wanderung immer wieder über uns – ein faszinierender Anblick, von dem wir uns erst losreißen können, als wir die Schaukel am Rand des Hochplateaus entdecken und damit selbst (ein bisschen) in die Lüfte steigen.

Das nordportugiesische Tal unter uns mäandert mit einigen Schlingen durch die Region und ist berühmt für seine abwechslungsreiche Landschaft, die terrassenförmig angelegten Weinberge und den Traubensaft, der daraus entsteht: der junge „Vinho Verde“, Rotweine und natürlich der Portwein, der zum Markenzeichen der Gegend geworden ist, die stolz den Titel des ältesten geschützten Weingebiets der Welt trägt. Schon die alten Römer haben sich hier im Weinbau versucht und es war viel Menschenkraft nötig, um die Hänge links und rechts des drittgrößten Flusses der iberischen Halbinsel zu dieser einzigartigen Landschaft zu formen, die seit 2001 auch Unesco-Weltkulturerbe ist. Und in der wir bei dieser Wanderkreuzfahrt ein paar Tage per Schiff und zu Fuß unterwegs sind.

Wir starten in Porto, dieser heimlichen Hauptstadt Portugals. Nur, um zu lernen: Mit der Überquerung des Flusses sind wir in Vila Nova de Gaia gelandet, der Stadt am südlichen Flussufer des dort in den Atlantik mündenden Douro. Mit Porto ist sie unter anderem durch die spektakuläre, von Gustave Eiffel geplante „Ponte Maria Pia“ verbunden, das Leben pulsiert an beiden Flussseiten. Beim abendlichen Blick vom Deck der höchst komfortablen „MS Douro Spirit“ bewundern wir das Lichtermeer von Porto.

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Die folgenden Nächte werden vor allem vom Sternenhimmel erhellt werden, während uns die Tage auf dieser herrlich entschleunigten Reise durch bewaldete Hügelketten, vorbei an schroffen Felswänden, an Korkeichenwäldern, Olivenhainen, Weinbergen und verschlafenen Dörfern führen. Nicht wenige davon erkunden wir zu Fuß. Während der Großteil der Reisegruppe kunsthistorische Schönheiten wie etwa den berühmten Mateuspalast besichtigt oder einen Ausflug über die Grenze hinweg nach Salamanca macht, hat sich ein kleinerer Teil für das Wanderpaket entschieden (wenn Plätze frei sind, kann man übrigens auch einmal die Gruppe wechseln).

Und wir lernen schnell: Gemeinsames Gehen schweißt zusammen, bei Sonnenschein ebenso wie bei Nieselwetter und den Nebelschwaden, die eine fast mystische Stimmung über dem Bergdorf Arnal erzeugen. Im „Trás-os-Montes“, dem „Land hinter den Bergen“, treffen wir kaum auf Menschen, dafür auf Stiere, Schafe und Ziegen. Alte Trockenmauern fügen sich malerisch in die Landschaft. Unser Wanderführer Martin Weber macht uns auch auf die vielen Restlinge aufmerksam; große Felsblöcke, die dank der Wollsackverwitterung ganz besondere Formen angenommen haben.

Wir werden noch viel lernen in den kommenden Tagen: etwa, wie man Mandeln frisch vom Baum erntet und mit Steinen aufschlägt; dass Zistrosen klebrige Blätter haben, aber herrlich würzig duften; dass Eukalyptusbäume bei Waldbränden explodieren und sich dabei selber reproduzieren; dass Kaktusfeigen gut schmecken, man aber danach die feinen, fast nicht sichtbaren Stacheln aus den Fingern zupfen muss und dass man Oliven nicht direkt vom Baum essen sollte – den bitteren Geschmack wird man nicht so schnell wieder los. Im internationalen Naturpark erzählt Martin uns während einer Pause mit Blick in großartige Canyons die Geschichte der Nelkenrevolution von 1974 und spielt uns „Grândola, Vila Morena“, die Hymne des friedlichen Umsturzes, vor. Und in Pinhão macht er uns auf die Azulejos-Bilder am Bahnhof aufmerksam, die landestypischen blau-weißen Keramikfliesen zeigen Szenen aus dem Alltagsleben und dem Weinbau.

Den Wein selbst trinken wir abends als Begleitung zum köstlichen, portugiesischen Essen, das Teil der Vollpension ist und gerne im Salon oder an Deck mit einem Gläschen Portwein abgerundet wird. Auch die meisten Vormittage verbringen wir an Bord der „MS Douro Spirit“, während die Landschaft an uns vorbeigleitet und auch die Schifffahrt selbst immer wieder zum Abenteuer wird: Insgesamt fünf Schleusen entlang des portugiesischen Teils des Douros sorgen für die Schiffbarkeit, jene bei der Talsperre Carrapatelo ist die zweithöchste Schleuse in Europa und hebt uns 35 Meter in die Höhe. Rund zwölf Minuten ist man zwischen massiven Betonwänden „eingesperrt“, links und rechts sind gerade einmal ein paar Zentimeter Platz – werden die Schiffe doch für den Douro maßgefertigt.

Den Abschluss der Reise bildet eine Rundfahrt durch Porto. Fünf Wanderungen liegen da hinter der Gruppe, technisch nicht besonders schwierig, aber in atemberaubender Landschaft. In Erinnerung werden auch die Gerüche bleiben: der wilde Fenchel, der Ginster, die überraschend großen Lavendelbüsche und vor allem die Zistrosen mit ihrem harzig-aromatischen Duft. Wir reisen ab – mit Portwein in der Tasche und mit Portugal in der Nase.