Der blaue Zug, der schon einige Jahre auf seinen Waggons hat, schnauft hörbar, während er sich durch das Hochland Sri Lankas kämpft. Wer die kühle Luft der nebelverhangenen Landschaft, die draußen vorbeizieht, in der Nase haben will, verzichtet auf die erste Klasse und tauscht den klimatisierten Sitzplatz gegen Wind im Haar. In der zweiten Klasse lassen sich nicht nur die Fenster, sondern auch die Türen des Zuges während der Fahrt öffnen. Instagramfans haben ihn deshalb längst als Lieferanten für spektakuläres Foto- und Videomaterial entdeckt. Die zahlreichen Kurven, auf denen sich der Zug durch die Hügel schlängelt, erlauben, sich hinauszulehnen und mit ihm zu verewigen. Ein Unterfangen auf eigene Gefahr, Übermütige hat der Zug schon auf die steilen Abhänge gespuckt. Auf seinem Weg bäumen sich seitlich saftig grüne Hügel auf, an denen jenes Naturprodukt wächst, das dieser Inselnation ihren früheren Namen eingebracht hat: Ceylon – Tee.
Die südlich von Indien gelegene Inselnation Sri Lanka, was so viel wie „ehrwürdige Schöne“ bedeutet, hat eine bewegte Geschichte und einen blutigen Bürgerkrieg hinter sich. Heute wird das Land von Reisenden als Juwel geschätzt, touristisch erschlossene Bereiche mit prunkvollen Kolonialbauten und komfortablen Strandresorts lassen sich hier ebenso finden wie landschaftlich atemberaubende Gegenden, in denen man nur Einheimischen begegnet.
Der Tourismus macht heute einen großen Teil der Wirtschaftseinnahmen Sri Lankas aus. Das Geld ermöglicht 17 Universitäten, staatliche Krankenhäuser und kostenlose Ayurvedabehandlungen für Einheimische. Da es an Jobs mangelt und es gut Ausgebildete ins Ausland zieht, setzt man auf Besucherinnen und Besucher. Und die bekommen hier abwechslungsreiche Landschaften in satten Farben, lange Sandstrände, ein vielseitiges Klima. Und Tee.
Durch dessen Anbaugebiet kämpft sich der blaue Zug von der Stadt Kandy in der Landesmitte ins südliche Hochland. Tee gehört zu den wichtigsten Exportgütern, er wächst auf 225.000 Hektar Anbaugebiet. Der Tieflandtee weckt müde Geister erbarmungslos auf, während der orangefarbene Hochlandtee mit Aroma glänzt. 20 Kilo der feinen Blätter, die die Frauen und Männer hier bei Sonne wie Regen händisch pflücken, sollen pro Nase und Tag abgeliefert werden. In der größten Teefabrik im Land, Damro, wird die Ernte aussortiert, getrocknet und so behandelt, dass am Ende für jeden Geschmack und Geldbeutel etwas dabei ist.
Wo der Pfeffer wächst
Um Geschmack geht es auch beim Besuch einer Gewürzplantage in Matale. Dilusha, der sich sein fließendes Deutsch mit Videos im Internet angeeignet hat, führt durch den Garten und zeigt, wo der Pfeffer tatsächlich wächst. „Neben Zimt gehört auch Pfeffer aus Sri Lanka zu den hochwertigsten Sorten der Welt“, sagt er und zeigt auf den Busch, an dem die edlen Körner wachsen. Kurkuma, Ingwer, Zitronengras und viele andere Köstlichkeiten wachsen hier in rauen Mengen, „wir nutzen vieles auch als Heilmittel“, sagt Dilusha. Seine Kollegin zeigt uns, wie man den Gartenertrag kulinarisch nutzt und bringt uns bei, Curry zu kochen. Das Ergebnis schmeckt aromatischer und köstlicher, als jede Variation, die man in der Heimat gegessen hat. Das gilt für viele Gerichte in Sri Lanka und macht es zum Paradies für Scharfesser.
Die Freiluftküche, in der das Curry zubereitet wird, ist neu. „Die Vorherige wurde vollkommen zerstört, als sie in der Nacht auf der Suche nach Wasser gekommen sind“, sagt Dilusha und meint jene grauen Riesen, die in vielen Regionen Sri Lankas das Sagen haben – Elefanten. Geschätzt 6000 wilde Exemplare leben derzeit im Tropenland, was es in manchen Regionen nicht ratsam macht, bei Dunkelheit unterwegs zu sein. Am Tag kann man die Riesen bewundern, wie sie seelenruhig die Straßen queren und nach einem Beitrag für die rund 150 Kilo suchen, die sie täglich an Blättern, Samen und Früchten verzehren.
Besonders nah kann man die Schwergewichte im Kaudulla-Nationalpark in ihrem natürlichen Lebensraum bewundern. Per Jeep geht es über staubige Waldwege durch Gebüsch, bis der Ranger hinter dem Lenkrad plötzlich nach rechts abbiegt und vor einer Herde mit ausgewachsenen Elefanten und Jungtieren zum Stehen kommt. Respektabstand ist wichtig, die „Erwachsenen“ stellen sich instinktiv vor ihre kleinen Schützlinge und würden angreifen, sollte man sich ihnen nähern. Neugierig sind viele trotzdem und grasen, wie mit Absicht, extra nah am Fahrzeug.
Elefanten unter dem Löwenfelsen
Ihnen begegnet man auch auf dem Weg zur Felsenfestung Sigiriya, dem sogenannten „Löwenfelsen“. Das Unesco-Weltkulturerbe lädt besonders Unerschrockene dazu ein, die 200 Meter hohe Formation zu erklimmen, auf dem einst ein prächtiger Palast stand und von wo aus man heute einen weitreichenden Rundumblick auf das Land hat. Wer es nicht so mit senkrechten Aufstiegen hat, für den lohnt sich auch ein Besuch der von einem Wassergraben umarmten Anlage, die einst eine Stadt war. Reiseleiter Pem, dessen Wissen von 125 im Land angebauten Reissorten über den Aufbau eines einstigen Tempels bis hin zu unterschiedlichen Darstellungen von Buddha reicht, berichtet, dass hier bis ins 14. Jahrhundert ein Kloster eingerichtet war.
Buddhistische Mönche begegnen einem auch beim Dambulla-Höhlentempel. Wieder ein Unesco-Kulturerbe, wieder eine Felsenformation. Diesmal ist der Aufstieg aber deutlich weniger steil und anstrengend, bis man beim Tempel angelangt, dessen Entstehung auf ein Jahrhundert vor Christus zurückgeht. In der beeindruckenden Höhle unter einem abgerundeten Fels finden sich Buddhastatuen aus unterschiedlichen Epochen, liegend, stehend und in diversen Farben dargestellt. Übrigens: Fotos nie mit dem Rücken zu Buddha machen, das wäre ein Affront.
Raus aus der Höhle, auf zum Meer. In Bentota schwimmen wenige Meter vom Strand, an dem die Wellen an die südwestliche Küste des Landes peitschen, nur wenige Zentimeter große Schildkröten in kleinen Aufzuchtbecken. Um sie vor Mensch und Beutetier zu schützen, werden die Eier am Strand eingesammelt, die Tiere nach dem Schlüpfen aufgepäppelt und zurück ins Meer entlassen, wo sie bis zu 350 Kilogramm schwer werden. Ebenso wie Elefanten stehen sie unter Naturschutz. „Die Symbiose zwischen Mensch und Tier ist wichtig“, sagt Pem, bevor er wieder auf den stürmischen Ozean blickt, der die „ehrwürdige Schöne“ umarmt.