Drei Pässe, sechs Stunden und 6000 Radbegeisterte: das ist der Dolomites Bike Day in Südtirol. Ihn schnöde autofreien Radltag zu nennen, wird seinem Zauber nicht gerecht: zu schön sind die Pässe Campolongo, Falzarego und Valparola, zu atem(be)raubend das Lagazuoi-Massiv, viel zu köstlich die Schlutzkrapfen danach.
Wo sonst 8000 Radsportler aus über 80 Ländern auf die Tube drücken, um die Maratona dles Dolomites-Enel zu fahren, sind dieses Mal die Amateure an der Reihe. Egal ob mit ultraleichtem Rennrad, behäbigem E-Bike oder Hund im Kindersitz: Der Dolomites Bike Day heißt alle willkommen. Ganz ohne Startnummer, aber voller Motivation können zwei Mal im Jahr die Hobbybergradler den Spuren der ganz Schnellen folgen. Sechs Stunden Zeit hat man für die 51 Kilometer und 1370 Höhenmeter – da geht sich der eine oder andere Espresso auch noch aus. Eine Anmeldung ist nicht nötig, die Teilnahme ist gratis und die Zeit wird nur auf der eigenen Garmin gemessen. Zu gewinnen gibt es trotzdem so einiges: schöne Erinnerungen in felsigen Höhen. Nur ein Helm, der muss jedenfalls sein. Denn so ganz ohne sind die Abfahrten der drei Pässe dann auch wieder nicht. Und dass um 14.30 Uhr Schluss ist mit den Verkehrssperren und die Autos die Straßen zurückerobern, das sollte man auch im behelmten Hinterkopf behalten.
Als Startpunkt empfiehlt sich La Villa im Zentrum von Alta Badia. Hier wartet Andreas Pescoll (37), Guide des Dolomite Biking Teams, bereits mit seinem Bike. Laufend starten von hier die Bergradler, in Gruppen, mit Guide oder Influencer, zu zweit oder alleine. Viele sind aus der Gegend, Stress gibt es keinen, denn die rechte Straßenseite gehört den Radfahrern an diesem Samstagvormittag. Keine Autos, keine Busse, nicht ein einziges Motorrad drängt die Hobbysportler heute an den Rand des Geschehens. Nach einigen hundert Metern auf dem Asphalt fällt es das auch akustisch recht schnell auf: Es ist herrlich still ohne das stete Hintergrundgeräusch der Motoren. Und die Radfahrer machen eigentlich gar keine Geräusche.
Es wird steil
Noch geht es aber auch nicht bergauf. Erst ab Corvara beginnt die Steigung. Die Fotogesichter vor dem hölzernen Schriftzug sind allesamt entsprechend gutgelaunt, hier wird für die Ewigkeit festgehalten, wer die drei Pässe gleich mit dem Rennrad bezwingen will (das sind die, die ihr Rad fürs Foto hochheben) und wer mit dem E-Bike hinauf radelt (die bleiben auf dem Boden der Tatsachen).
Ob mit oder ohne E-Motor, im Eco-, Tour- oder gar Turbo-Modus: Der erste Pass, Campolongo, ist bald bezwungen. Eine kurze Fotopause, einen Schluck aus der Trinkflasche und wer dran gewöhnt ist, schluckt ein Gel. Die anderen haben eine Banane oder einen Riegel mit. Viel gejausnet wird aber ohnehin nicht. Stattdessen werden die Windjacken angezogen, denn nun folgt das unvermeidliche Bergab. Vorbei an sattem Grün und desinteressierten Kühen sausen die Rennradfahrer hinunter nach Arabba. Im Tal erwartet sie Volksfeststimmung. Das Rad wird an den Zaun gelehnt, ein Espresso bestellt - man ist schließlich in Italien -– Elektrolyte hin oder her. Beim Dorfbrunnen werden die Trinkflaschen aufgefüllt, dann geht es weiter zum zweiten Pass, dem Falzarego. Die Höhe macht sich langsam aber sicher bemerkbar, die Aussichten werden atemberaubender, durch Tunnel aus Stein geht es immer weiter, immer höher hinauf. Die Pausen werden nun etwas häufiger, man kann ja die schöne Aussicht als Vorwand nehmen, um ein bisschen zu verschnaufen. Oben angekommen, kann man dann den höchsten Punkt der Tour, das Valparolajoch, bereits sehen.
Dennoch haben viele (Radrenn)-Fahrer Respekt vor dem letzten kurzen, aber steilen Anstieg. Alle anderen haben notfalls den Turbo. Ganz oben ist die Freude groß, alle Höhenmeter sind geschafft, es staut sich vor dem Beweisschild, die Freunde müssen schließlich sofort per WhatsApp über den Gipfelsieg informiert werden.
Im letzten Akt folgt die Belohnung für die Wadln: Vorbei an Relikten aus dem Ersten Weltkrieg, dem Festungswerk Tre Sassi und dem Valparolasee samt Passhütte geht es nun so lange bergab, bis die Finger vom Bremsen schmerzen. Doch Stehenbleiben ist jetzt keine Option mehr. Denn kaum ist die Ebene erreicht, wartet auch schon das erste Gasthaus an der Strecke: Schlutzkrapfen mit brauner Butter und viel Parmesan. Unzählige Liegestühle empfangen die tapferen Radfahrer. Und nur wer es nach dem Essen nicht rechtzeitig wieder raus schafft, muss sich die letzte Strecke zurück nach La Villa eventuell wieder mit den Autos teilen. Aber die Schlutzkrapfen waren es einfach wert…