Auf die Frage „Und, was hast Du in Schweden so gemacht?“ mit „eine Weinprobe“ zu antworten, ist ein Grund für mindestens ein Grinsen. Wenn nicht ein paar handfeste Kalauer. Schwedischer Wein – das klingt fast so wie Schnee auf Hawaii oder Strandurlaub auf Grönland. Doch die Sache ist ernst: „Die machen mittlerweile ziemlich gute Sachen“, urteilt Winzer-Koryphäe Lenz Moser aus Österreich. Und der muss es wissen, schließlich hat er sogar Wein in China angebaut.

Während man im Norden viel Schnee und Eis und vor allem lange Winter kennt, sind die klimatischen Bedingungen an der schwedischen Südküste, in der Provinz Skåne, zu Deutsch Schonen, gar nicht so schlecht für den Weinanbau. Bis zu 30 Grad Celsius und manchmal sogar mehr kann das Thermometer anzeigen, und das bis in den September – eine für skandinavische Verhältnisse lange Vegetationsperiode.

Lob aus Frankreich

Wer es trotzdem nicht glaubt, probiert am besten vor Ort: Zum Beispiel im Hällåkra Vingård in Anderslöv 30 Kilometer südöstlich von Malmö, einem der ersten Weingüter, das wirklich ernsthaft und systematisch mit dem Weinbau begann. Ein Experiment gab den Startschuss: „Es war schon ein bisschen so eine Midlife-Crisis“, blickt Besitzer und Winzer Håkan Hansson zurück. Er war lange Jahre als Finanzberater tätig, dann ging er in die Politik und saß für die schwedischen Grünen sogar im Parlament. 2003 entschied er sich, zusammen mit seiner Frau Lotta einfach mal was Neues zu probieren und auf dem elterlichen Hof Wein anzubauen, wo einst Getreide stand.

Die Ansprüche waren eher realistisch: „Ich wollte wissen, ob es möglich ist, hier einen wenigstens trinkbaren Wein zu machen“ – immerhin gibt es auch in Dänemark durchaus ein paar gute Tropfen. Die ersten Ergebnisse waren allerdings eindeutig: „Das war eher nichts“, räumt der 70-Jährige lachend ein. Aber er experimentierte weiter und fing an, den Wein auf seinem Hof zu servieren. 2010 kamen überraschend ein paar Winzer aus Bordeaux vorbei. „Da ging mir schon das Muffensausen, die sind schließlich Qualität gewöhnt.“ Zu seiner großen Überraschung waren die Besucher begeistert: „Wow, dieser Wein ist einmalig.“ Ungefähr so reagierten die französischen Kollegen.

Erfolg durch Hybrid-Sorten

Doch was genau bekommt man auf Hällåkra serviert? Vor allem weiße Solaris-Trauben, eine Sorte, die 1975 vom Freiburger Weinbauinstitut gezüchtet wurde. Auch rote Rondo-Trauben werden angebaut: zwei sogenannte Piwi-Sorten, als Hybride, die besonders kälte- und mehltauresistent sind. Geschmacklich zeichnen sich die Weine aus der Solaris-Traube durch einen hohen Säuregehalt, einen blumigen Geschmack und geringen Alkoholgehalt aus – sehr frische Weine werden hier produziert, was auch die französischen Winzer so begeisterte.

Auf dem Weingut kann sich verschiedene Sorten einschenken lassen: orange schimmernde „Anna“ zum Beispiel, benannt nach der Ur-Ur-Großmutter, die mit ihrem Mann Jöns das Haus 1850 erbaute. „Diesen Wein lassen wir ein bisschen länger in der Schale liegen und pressen ihn, bevor er kippt. Er ist ein bisschen bitter – eher so etwas für Bier-Liebhaber“. Bei „Jöns“ wiederum verzichtet Hansson auf Schwefel und erklärt „er bitzelt ein bisschen auf der Zunge, denn er hört ja nie auf zu fermentieren.“ Auch alle anderen Weine sind nach Vorfahren benannt.

Auch die Sorten Rondo, Rubin und Regent baut der Winzer an. Eines ist allen Weinen gemein: „Unser Klima ist so kalt, dass unsere Weine einen hohen Säuregehalt haben. Wir können daher auf Zusätze verzichten“, sagt Hansson. Probieren kann man die Weine vor Ort auf dem Weingut, kaufen allerdings nicht, zumindest nicht als sofortiges Mitbringsel, denn der staatliche Symbolaget, der staatliche schwedische Alkoholhandel, nimmt sein Monopol ernst.

Tina Berthelsen betreibt ein Weingut nördlich von Helsingborg
Tina Berthelsen betreibt ein Weingut nördlich von Helsingborg © Lottenlund Estate

Bio? Unbedingt!

Dieses Problem kennt auch Tina Berthelsen, Besitzerin des Weinguts Lottenlund Estate in Allerum nördlich von Helsingborg. Auch sie darf ihre Weine zwar verkosten lassen, aber nicht verkaufen. Beide Winzer behelfen sich mit dem Versand ihrer Produkte. Auch auf Lottenlund spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle: „Wir schwefeln unsere Weine kaum, das ist aufgrund des niedrigen pH-Wertes auch nicht nötig, und nutzen auch kein Kupfer“, versichert Berthelsen. Auch ihre Weine seien „eher fruchtig, frisch und passen sehr gut zur lokalen Küche.“

Einen Menüvorschlag hat sie auch – für den Fall, dass der Wein als Souvenir für einen schwedischen Abend daheim ein Mahl begleiten soll: „Gebratenes Kabeljaufilet mit Erbsen, heurigen Kartoffeln und Butter“ – und eben einen eher säuerlichen schwedischen Wein, der die Butter ausbalanciert.

Allein sind die Hanssons und Berthelsen übrigens nicht: Das Åhus Vingård an der Ostküste von Schonen stellt Weine, auch Rosés, unter anderem aus den Trauben Rondo, Léon, Phoenix und Seyal Blanc her. Auf Kullabergs Vingård auf der Kullen-Halbinsel am Öresund wird unter anderem auch Cider produziert.