So ein Sommer in der Steppe ist lang. Wie kommt man auf die Idee, fünf Pferde in zwei Reihen anzuspannen, mit je einem Bein auf den Rücken der hinteren beiden zu stehen und mit dem lauten Knall der Peitsche in der Luft zum Galopp aufzufordern? „In der Einsamkeit der Puszta haben die Hirten ihren Pferden Kunststücke beigebracht“, kommentiert die Frau im Getränkekiosk über die Lautsprecher das Schauspiel, das gerade staubaufwirbelnd an den Zuschauern auf dem Gestüt Bugac vorbeizieht – die sogenannte ungarische Post ist nur eines von vielen.

Die ungarische Puszta ist die Heimat der Csikós, der Pferdehirten, die seit den Zeiten der Herrscherfamilie der Árpáden in den Weiten der Tiefebene die ihnen anvertrauten Tiere hüten. Heute gibt es nur mehr wenige, die ihr Handwerk und ihre Traditionen hochhalten. Mit der Kutsche bringen sie Besucher zu dem Bauernhof im Nationalpark Kiskunság etwas mehr als eine Stunde südlich von Budapest. Dort werden neben den fuchsfarbenen Kisbéri-Pferden mit wolligen Mangalica-Schweinen, mächtigen ungarischen Steppenrindern und Zackelschafen mit ihren korkenzieherartigen Hörnern, seltene oder vom Aussterben bedrohte Arten gezüchtet.

Im 19. Jahrhundert wurde damit begonnen, den sandigen Boden der Puszta zwischen Donau und Theiß urbar zu machen. Vom Aufblühen von Landwirtschaft und Handel berichten die Jugendstilbauten im nahen Kecskemét, allen voran das mit Porzellanplatten der Manufaktur Zsolnay verzierte Rathaus oder der prachtvolle Cifra-Palast. Die ursprünglichen Landschaften mit Steppen, Süß- und Salzwasserseen oder Auenwäldern bewahrt der Nationalpark. Eine abenteuerliche Staubpiste stimmt auf eine unerwartete Begegnung ein: Unweit des typischen Pusztadorfs Fülöpháza lichten sich plötzlich die Baumreihen und eine Sanddüne baut sich vor einem auf. Das mühsame Erklimmen lohnt sich, weil man von dort oben den Sonnenuntergang am paprikaroten Abendhimmel über der Ebene besonders gut beobachten kann.

Die getrockneten Schoten sind ständige Begleiter. Mal hängen sie zu Ketten aufgereiht an den kleinen Häusern, geben gemahlen dem Essen Würze, auf dem Domplatz der schmucken Kleinstadt Kalocsa ist dem Paprika und seinem Stellenwert in Ungarn sogar ein eigenes Museum gewidmet. Es lohnt auch, im Volkshaus vorbeizuschauen, wo man dabei zusehen kann, wie neben Keramik, Möbeln und Trachten die berühmten Stickereien der Region von Könnerinnen auf dem Stoff Gestalt annehmen.

Nach einem Erdbeben 1722 neu begründet, zählt das reizende Dorf Hajós heute 24 Gassen mit mehr als 1200 Weinkellern, in denen auch der gekelterte Saft traditioneller Reben wie Cser­szegi Fűszeres, Kadarka oder Kövidinka reift. Eine neue Generation von Winzern kombiniert hier erfolgreich altes Wissen mit neuen Methoden. Eine Statue ihres Schutzpatrons, dem Heiligen Urban, auf dem Marktplatz hat ein Auge darauf.