Wer in Österreich lebt, glaubt alle Grüntöne zu kennen, die die Natur zu bieten hat. Doch wer Kolumbien gesehen hat, merkt schnell, wie falsch er gelegen ist. Die Wege hier sind oft lang, die Busfahrten aber alles andere als langweilig. Unserer kleinen Reisegruppe bieten sich in einem fort die atemberaubendsten Aussichten. Auf der Strecke ins Cocora-Tal wechseln sich dunkle Nadelbäume auf den Bergen mit Palmen auf den Hügeln ab, dazwischen weht das hohe Gras im Wind.

Angekommen steht man inmitten Hunderter von Wachspalmen – dem Nationalbaum Kolumbiens und die höchste Palmenart der Welt. Bis zu 60 Meter ragen sie majestätisch in den Himmel. 100 Jahre brauchen die Palmen, aus deren Wachs früher Kerzen gemacht wurden, um so groß zu werden. Sie gelten als gefährdet und sind deshalb geschützt. Ihr Anblick vor dem Hintergrund der nebeligen Andenberge gibt einem das Gefühl, in einer anderen, mystischen Welt zu sein. Man ist verzaubert – oder encantado, wie es auf Spanisch heißt. Apropos: Der Disney-Film „Encanto“ hat zu einem wahren Besucher-Boom im Cocora-Tal beigetragen.

Dubai-Flair kombiniert mit klassischer Altstadt

Kolumbien ist aber mehr als nur grüne Landschaften und Berge. Im Norden grenzt das Land an das karibische Meer. Steigt man in der Hafenstadt Cartagena aus dem Flugzeug, taucht man erneut in eine andere Welt ein. Mehr als 30 Grad machen den Pullover schnell obsolet – es herrscht Urlaubsfeeling pur. Im warme Meerwasser kann man gemeinsam mit Pelikanen schwimmen. Während sie nach Fischen Ausschau halten, zeigen sie keine Scheu vor Badegästen.

Die Kolumbianer wissen aber auch, wie man feiert, weiß Reiseführerin Luisa. Im Restaurant „Juan del Mar“ beweist das der Lokalbesitzer namens Juan – unsere Reisegruppe nannte ihn „den kolumbianischen Andreas Gabalier“. Wenn er spanische Lieder zum Besten gibt, tanzen nicht nur die Gäste, sondern auch die Kellnerinnen. Als wir nicht aufspringen und mitmachen, wirft Juan uns einen höchst misstrauischen Blick zu.

Touristische Gebiete gelten als sicher

So märchenhaft die Landschaften und stimmungsvoll die Orte sind – viele Kolumbianer kriegen davon wenig mit. „Sie wissen nicht, was das Land anzubieten hat. Außer man arbeitet im Tourismus oder reist viel“, erklärt Luisa.

An manchen Ecken erlebt man die Realität vieler ärmerer Einheimischer – aber ohne sich dabei unsicher zu fühlen. So etwa in Bogotá. Die Hauptstadt sprüht vor Leben. Dass einem da die Luft wegbleibt, liegt es nicht nur an der Seehöhe von 2600 Metern. An jeder Ecke sorgen Straßenmusiker für eine vielfältige Klangkulisse. Und dazu mischt sich das Hupen der Autos.

Mit ehemaligem Drogenboss Escobar wird Geschäft gemacht

Worüber sich manche im ersten Moment wundern mögen: die Stände an den Straßenrändern, an denen T-Shirts und Kühlschrankmagnete mit dem einstigen Drogenboss Pablo Escobar als Souvenirs verkauft werden. Viele kennen seinen Namen aus der Netflix-Serie „Narcos“. Unter anderem durch ihn wird Kolumbien immer noch mit den Geschichten über Drogen, Gewalt und Entführungen verbunden.

Reiseführer Jürgen kennt die Geschichte Kolumbiens
Reiseführer Jürgen kennt die Geschichte Kolumbiens © Susanne Zita-Angst

In den 1950er-Jahren habe es einen Marihuana-Boom in Kolumbien gegeben, erzählt Reiseführer Jürgen. In den 1970ern stieg man auch in das Kokain-Geschäft ein. „80 Prozent des Koks weltweit wurde in Kolumbien produziert.“ Das förderte Gewalt. Die Kartelle wurden mittlerweile aber zerschlagen. Escobar wurde 1993 getötet, Kolumbien ist außerdem mit rechtlichen Maßnahmen gegen Drogenhandel und -produktion vorgegangen. Es gibt noch kleinere Produzenten.

Bogotá ist „Mekka für Graffiti-Künstler“

Dass Gewalt auch zu schönen Entwicklungen beitragen kann, wird in der Hauptstadt sichtbar. 2011 wurde der junge Künstler Diego Felipe Becerra wegen einer Graffiti-Aktion von der Polizei getötet. Daraufhin begann die Stadt, Graffitis zu fördern. Bogotá wurde zum „Mekka für Graffiti-Künstler, einige sind sogar extra hierhergezogen“, sagt Jürgen. Die Graffits sind teils riesig und fotorealistisch. Für ein wandgroßes Kunstwerk von zwei schwarzen, homosexuellen Personen hat der Künstler vier bis fünf Tage gebraucht, weiß Jürgen. Mit Sprühdosen, Pinseln und Rollen hat er viel Zeit und Herzblut investiert.

Die grünen Landschaften im Cocora-Tal, die orange-roten Sonnenuntergänge über dem Meer oder die bunten Graffitis in Bogotá – Kolumbien weiß seine Gäste in allen Farben zu verzaubern. Encantado eben.