Wassermangel ist rund um die Plitvicer Seen in Kroatien im Frühling kein Thema. Besuchermangel – mittlerweile beinahe ganzjährig, aber vor allem von Juni bis August – ebenfalls nicht. Der größte Nationalpark des Landes wird jährlich von mehr als einer Million Touristen durchwandert, die vor allem über die Wasserfälle und die smaragdgrünen Seen staunen. Das Reservat, das 1962 Kulisse für den Winnetou-Film „Der Schatz im Silbersee“ war, erstreckt sich über fast 300 Quadratkilometer und umfasst 16 Seen, die durch Wasserfälle und Kaskaden verbunden sind. Der Veliki Slap ist mit einer Fallhöhe von 78 Metern der größte Wasserfall Kroatiens und ein beliebter Selfie-Spot. Im Sommer kann es auf den Holzstegen rundherum dementsprechend richtig eng werden.

Der Großteil der Besucher bewegt sich auf dem Rundweg der unteren Plitvicer Seen. Nach Überquerung des Kozjak-Sees mit Elektrofähren wird es bei den oberen Seen merklich ruhiger. Zu jeder Jahreszeit bieten sich hier traumhafte Fotomotive, bevor man zum Beispiel in das ganzjährig geöffnete Hotel Jezero zurückkehrt, das durch seine Lage mitten im Park ein perfekter Ausgangspunkt für Erkundungen und Wanderungen ist. Das Hotel wurde in den 1950er-Jahren erbaut und ist einer der ältesten Beherbergungsbetriebe im Nationalpark Plitvicer Seen. Es wurde mehrfach renoviert, hat aber dennoch den Charme vergangener Zeiten bewahrt. Das 1972 gebaute Restaurant „Lička kuća“ direkt am Nationalpark-Eingang 1 gilt als kulinarische Empfehlung. Lika-Spezialitäten wie Lamm- und Kalbfleisch werden hier noch unter der Peka-Glocke auf offener Feuerstelle gegart.

Absolut abseits der Massen bewegt man sich, wenn man durch den Urwald „Čorkova Uvala“ wandert, der seinen Namen von einem verlassenen Dorf hat. Die Route ist recht anspruchsvoll und erfordert eine gute körperliche Verfassung sowie festes Schuhwerk. Die 21 Kilometer können in sechs bis acht Stunden bewältigt werden. Der Weg führt in 860 bis 1028 Meter Höhe über schmale Pfade, vorbei an gewaltigen Felsformationen, versteckten Wasserfällen und Bächen und durch dichte Wälder. Hier kann man alte Baumriesen, seltene Pflanzenarten und mit etwas Glück scheue Wildtiere wie Hirsche und Wildschweine entdecken.

Nationalpark-Ranger Željko Rendulić
Nationalpark-Ranger Željko Rendulić © Helmuth Weichselbraun

Bär, Luchs und Wolf sind ebenfalls unterwegs, aber diesen scheuen Waldbewohnern zu begegnen ist mehr als unwahrscheinlich. Auch sie scheinen zu wissen, wovon Nationalpark-Ranger Željko Rendulić schwärmt: „Dieser Urwald ist ein Paradies, in dem die Zeit stehen geblieben ist.“ Die sanften Töne der Natur – das Zwitschern der Vögel, das Rascheln der Blätter und das Plätschern der Bäche – begleiten einen auf Schritt und Tritt. Flächen mit jungem Baumbestand wechseln mit toten Baumstämmen ab. Dazwischen werden die Ruinen der alten Siedlung von der Natur zurückerobert.

Im Urwald steht ein verlassenes Dorf
Im Urwald steht ein verlassenes Dorf © Helmuth Weichselbraun

Ein Lost Place ist mittlerweile auch „Titos Sommerresidenz“, die man unter genau dieser Bezeichnung bei Google Maps findet. Der 1980 verstorbene jugoslawische Machthaber Josip Broz Tito ließ diese Villa für sich und seine Entourage in völliger Abgeschiedenheit über der Quelle des Plitvicer Flusses bauen. Obwohl das Gebäude im Kroatien-Krieg geplündert wurde, zeigen die frei zugänglichen Überreste anschaulich, was man sich einst hier im Geheimen gönnte: Ballsaal, Kino, Billardtische und eine Kegelbahn. Man lebte wohl aber auch in Angst. Vom Keller aus führt ein in den Fels gesprengter Geheimgang zu Garagen im Wald.