Endlich Frühling! Da wächst die Sehnsucht nach sonnigen Tagen am Meer. Die Küstenorte im Friaul bieten, was das Herz begehrt. Beginnen wir die Reise in Marano Lagunare. Ganz am Anfang ist der Turm. Bewohner nennen ihn den „Tausendjährigen“, was schon einiges über das Alter des pittoresken Örtchens aussagt. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war Marano von einer Stadtmauer umgeben, nicht einmal die Türken schafften es, die Stadt zu erobern. Die Republik Venedig ließ dem Ort seine Selbständigkeit. „In Marano spricht man noch alten venezianischen Dialekt“, vermerken die Bewohner stolz. Neben der sprachlichen Gemeinsamkeit hat die Serenissima die Stadt auch architektonisch geprägt, sie ist ein Gewühl aus Gassen und kleinen Plätzen.
Die Lagune prägt seit Jahrhunderten das Leben der Menschen und der Fischfang war und ist Existenzgrundlage vieler. So ist es nicht verwunderlich, dass man in Marano mit bestem Fisch bewirtet wird. So klein der Ort auch ist, hier findet man gleich sieben Restaurants, die sich gegenseitig in puncto Fischküche übertrumpfen. Und wer rechtzeitig in der Früh aus den Federn kommt, kann sich am zentralen Fischmarkt von Marano Lagunare bestens bedienen. Branzino, Orata, Capesante, Aal und diverse Muscheln werden angeboten. In den Lokalen sollten Besucher nach „Bisato in spéo“ fragen. Dahinter versteckt sich Aal am Spieß. Gefischt aus der Lagune, in Stücke geschnitten, mit Brotscheiben und Lorbeer aufgespießt und über Holzkohle gegrillt, gehört er zu den beliebtesten Gerichten der Einheimischen.
In der Lagune von Marano öffnet sich das Naturschutzgebiet der Stella-Mündung. Mit einem Boot oder Ausflugsschiff gelangt man ins Delta des Flusses und bis nach Precenico und Palazzolo. Ein Paradies für Vogelbeobachter, Silber-, Purpur-, Grau- und Silberreiher, Hockerschwäne und vieles mehr fliegt vor die Kamera. Ein Anblick von seltener Schönheit ist die Flussmündung mit den Casoni, den schilfgedeckten Häuschen in der Lagune. Sie sind alle nach Westen ausgerichtet und so bestens vor Bora und Tramontana geschützt.
Den Dachs im Wappen
Der Weg führt weiter in den Karst, dorthin, wo das Schloss Duino hoch auf der Steilküste thront und den kleinen Ort mit dem Mini-Hafen bewacht. Das Schloss wird von der italienischen Linie der Thurn und Taxis (Torre e Tassi) bewohnt. Sie haben sich einst um das Postwesen in der k&k-Monarchie bemüht. Die Familie trägt den Dachs in ihrem Wappen, daher der Name Torre e Tassi. Das Schloss sollte es unbedingt besichtigen: Regelmäßig wechselnde Ausstellungen, der herrliche Garten mit sensationellen Ausblicken, der Turm und der Bunker aus dem „Grande Guerra“ locken berechtigterweise Besucher nach Duino. Vom Meer aus sieht man die Überreste der Ruine und die „Weiße Dame“, eine Felsformation, die aus dem Meer ragt. Der Sage nach soll sich die Schlossherrin auf der Flucht vor ihrem ungeliebten Mann ins Meer gestürzt haben.
In Duino befindet sich auch das United World College, das von Schülern aus der ganzen Welt besucht wird. Zwischen College und Schloss beginnt der Rilke-Weg. Ein Karstweg, immer auf den Klippen entlang, mit Blick aufs Meer und benannt nach dem Dichter Rainer Maria Rilke, der hier freundschaftlich verbunden mit der Gräfin Maria Thurn und Taxis seine Duineser Elegien geschrieben hat. Ein Spaziergang am Hafen von Villaggio del Pescatore und ein Drink in der gelungenen Kunststadt Portopiccolo lohnen ebenso, wie ein Besuch in einem der zahlreichen Fischkneipen der Gegend.
Das Naturschutzgebiet La Riserva Naturale delle Falesie di Duino ist nicht nur etwas für Naturbeobachter, sondern auch für Badegäste interessant. Nirgends findet man so sauberes, klares Wasser an romantischen Kiesbuchten.
Hier spricht man Venezianisch
Wir begeben uns an den letzten Zipfel Italiens. Muggia ist das einzige Städtchen Istriens, das nach dem Krieg italienisch geblieben ist. Die reizvolle Atmosphäre ist venezianisch, das malerische Hafenbecken mit seinem Gewirr an Segel- und anderen Booten dehnt sich auf das historische Stadtzentrum mit seinen schmalen Gässchen und pittoresken Plätzen aus.
Muggia entwickelte sich aus dem Dorf „Borgolauro“, das schon vor dem Jahr 1000 erwähnt worden ist. Aus dem 13. Jahrhundert stammen der Dom und der Palazzo Comunale. Von noch älteren Zeiten künden Reste der frühgeschichtlichen Castellieri Ringwallanlagen, die römische Basilika aus dem 9. Jahrhundert und Reste einer alten Stadtmauer. Einst haben die Bewohner Gesteinsbrocken herausgebrochen, aus denen sie nach und nach ihre Häuser errichteten. Hoch oben thront die Burg von Muggia aus dem 14. Jahrhundert, die heute in Privatbesitz ist.
Lohnend sind die Streifzüge durch die verwinkelten Gässchen, die Piazza Marconi oder zum Hafen Mandraccio, wo man Seeleute bei der Arbeit beobachten und in der Kooperative der Fischer den Fang des Tages verkosten kann. Eine Führung durch die Altstadt und zur Burg sollte man sich nicht entgehen lassen. Sehr praktisch: in Triest kann man eine Fähre besteigen, die mehrmals täglich Muggia ansteuert.
Sehnsuchtsort der Österreicher
Ein allseits beliebter Klassiker ist der charmante Küstenort Grado. Inmitten der nördlichsten Lagune Italiens blickt er auf eine 1600 Jahre alte Geschichte zurück. Die Spuren sind bis heute in den Gassen des antiken Castrum Romanum zu sehen, wo man die aus dem Frühchristentum stammende Basilika Santa Maria delle Grazie bewundern kann. Eine Besonderheit ist eine Schifffahrt durch die 90 Quadratkilometer große Lagune von Grado, die zwei Naturschutzgebiete umfasst, und eine Schiffswallfahrt zur Insel Barbana im Sommer.
Zur Jahrhundertwende hat der österreichische Adel Grado als Ort der Sommerfrische entdeckt, noch heute sieht man zahlreiche Villen aus dieser Zeit. Mittlerweile genießen österreichische Urlauber hier Sonne und die flachen Sandstrände. Nirgends kann man so schön von Bar zu Eissalon und von Trattoria zu Osteria flanieren und dazwischen italienisch shoppen. Urige Fischlokale locken mit dem typischen Gradeser Fischgericht Boreto. Einst ein Arme-Leute-Gericht, aus Fischabfällen zubereitet, heute eine Spezialität, die mit Polenta serviert wird.
Elisabeth Tschernitz-Berger