Im letzten Tageslicht setzt die kleine Propellermaschine auf. Ankunft auf Exuma, der Heimat der „Swimming Pigs“. Tourismusziele werden immer einfallsreicher im Marketing, im Fall der zu den Bahamas zählenden Inselkette sind es also schwimmende Schweine. Sie besteht aus 365 Inseln, sie ziehen sich nordöstlich von Kuba über eine Länge von 190 Kilometern durchs Meer.

Der ganze Staat Bahamas umfasst mehr als 3000 Eilande, zählt man die Cays genannten Riffe hinzu. „Das Wasser rund um die Bahamas ist auf der Erde genauso wunderschön wie vom Weltraum aus“, twitterte Astronaut Scott Kelly 2016. Beim Landeanflug aber ist der Anblick auch nicht verkehrt: Das Meer schimmert zum Abend mal mintgrün, mal himmelblau, mal türkis mal saphirblau. Darin die vielen Inseln und Inselchen als grüne Farbtupfer. Schweine sind noch nicht in Sicht.

Viele Exuma-Inseln sind unbewohnt

Der Distrikt Exuma ist rund eine Flugstunde von Nassau, der Hauptstadt der Bahamas auf der Insel New Providence, entfernt. Dort und auf Gran Bahama leben die meisten Menschen – doch auf den äußeren Inseln regiert die Gemächlichkeit. Viele sind dünn besiedelt, die meisten gänzlich unbewohnt. Die Strände sind oft über Kilometer menschenleer, die Buchten und Riffe nicht minder einsam. Kein Wunder, dass Segler und Taucher die Gegend gerne aufsuchen.

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Karibische Gelassenheit ist auch auf Great Exuma und Little Exuma spürbar, immerhin von rund 3600 Menschen bevölkert. Dazu kommen die Touristen, die auf den beiden Inseln die meisten Unterkünfte vorfinden. Als existierten keine Termine mehr, als gäbe es den schnellen Pulsschlag der globalisierten Welt nicht, vertreiben sie sich entspannt die Zeit auch beim Schwimmen, Schnorcheln, Kajakfahren oder Golf.

Oder mit einem Bootstrip. Ein Tagesausflug zu einer der unbewohnten Exuma-Inseln, typisch aus Korallen- und Sandsteinablagerungen entstanden, steht auf dem Programm. Früher nutzten Piraten Rückzugsorte wie diese als Versteck und Startpunkt für neue Beutezüge. Heute hat sie eine andere Klasse in Beschlag genommen, einige der Inseln sind in Privatbesitz. „Die Insel da vorn gehört dem Zauberkünstler David Copperfield“, sagt Justin Lighthouse, der seine Gäste als Skipper vom Anbieter Exumas Watersports mit an Bord genommen hat. Er deutet auf einen der Farbtupfer im Meer. Viel zu sehen ist nicht: vier Liegestühle am Strand, eine Holzplattform auf Stelzen und ein Bediensteter in heller Uniform, der lächelnd zum Boot herüberwinkt – alles Weitere versteckt sich im Dickicht von Musha Cay. Aber Lighthouse legt eine Zahl offen: Über 50.000 US-Dollar ließen sich betuchte Urlauber die Nacht kosten. „Promis wie Madonna oder John Travolta genießen regelmäßig die Privatsphäre hier“, sagt er. Noch mehr Geld ließ Google-Gründer Sergey Brin springen. Er feierte 2007 seine Hochzeit auf der Insel.

Borstentiere und Bond auf den Cays

Immer tiefer fahren wir hinein in den Exuma Cays Land- und See-Nationalpark. Ziel: Big Mayor Cay, die Schweineinsel. Endlich. Doch Kapitän Justin macht es spannend ... und einen Zwischenstopp: an der Thunderball-Grotte. Vor über 60 Jahren drehte die James-Bond-Crew hier rasante Verfolgungsszenen für „Feuerball“, später auch für das Remake „Sag niemals nie“.

Kleine Wellen brechen sich am versteckten Eingang der Höhle. Auf Bonds Spuren schwimmen die Schnorchler hinein. Blaugelbe Engelsfische und gestreifte Riffbarsche gleiten durchs Wasser. An den Schwanzflossen der zahllosen Gelbschwanz-Schnapper bricht sich das Licht, das durch ein Loch in der Höhlendecke einfällt.

Dann ist wieder Land in Sicht: Big Mayor Cay. Und auch wir werden entdeckt. Kaum nehmen sie die Ankömmlinge wahr, beenden die Schweine am Strand ihren Powernap. Flink rennen die ersten auf ihren kurzen Beinen ins Wasser und schwimmen dem Boot entgegen. Die Borstenviecher sind es mittlerweile gewohnt, von Touristen und Einheimischen mit Brot, Obst oder Gemüse gefüttert zu werden.

Schweinefall XY ungelöst

Wie sie auf die Insel gelangten, darum ranken sich Legenden. Eine Variante: Die Schweine wurden von Seeleuten, die sie später essen wollten, zurückgelassen. Oder: Die Tiere retteten sich von einem Schiffswrack auf die unbewohnte Insel. Oder: Sie wurden als Touristenattraktion hier angesiedelt. Berühmt wurden die Vierbeiner jedenfalls auch durch ihren Auftritt in „Germany‘s Next Topmodel“.

„Die Karotten auf der flachen Hand anbieten und unbedingt die Hände über Wasser halten, wenn ihr kein Futter habt“, hatte Kapitän Justin vorab erklärt. Das ist ein guter Tipp, jetzt, da das Gewusel aus Schweineschnauzen, Schweineohren und wild rudernden Schweinebeinen um die Touristen herum, die sich bis zum Bauchnabel ins warme Meerwasser gewagt haben, unübersichtlich geworden ist. Um als Erste an die Leckereien zu kommen, sind die Tiere nicht zimperlich: Die großen stoßen die kleineren beiseite, und wer nicht aufpasst, kassiert einen Huftritt.

Umstrittene Tierfütterungen

Weitere tierische Population erwartet die Tagesausflügler: Auf Allen‘s Cay sind es die „Rock Iguanas“, Minidrachen mit winzigen Rückenstacheln. Die dackelgroßen Leguane standen einst vor der Ausrottung. Heute sind sie zwar immer noch gefährdet, beflügeln aber ebenfalls den Fremdenverkehr.

Vor Compass Cay warten Ammenhaie. Auch sie haben sich vor Ort an die Touristen gewöhnt. Schon am hölzernen Anleger tummeln sie sich und lassen sich von Schwimmern und Schnorchlerinnen streicheln. Bis über vier Meter werden die Meeresbewohner lang, die sich Menschen gegenüber in aller Regel friedlich verhalten.

Von den Veranstaltern arrangierte Fütterungen stehen an der Tagesordnung – auch in der Inselwelt von Exuma. Tier- und Umweltschutzorganisationen wie der WWF sehen diese Praxis grundsätzlich jedoch kritisch. Insbesondere das Anfüttern oder Berühren der Tiere könne für sie zu erhöhtem Stress und Veränderungen im Ökosystem führen. Zu viel oder falsch betriebener Tourismus zerstöre letztlich die Ressource, von der die Branche lebt.

Auch vor Stocking Island scheinen Warnsignale wie solche teils noch kaum beherzigt. Dort werden zum Beispiel Schachteln mit Schneckenfleisch verkauft, das sich die dort vorkommenden Stachelrochen schmecken lassen sollen, die sogleich im knöcheltiefen Wasser den Touristen um die Beine schwirren. Den Snack saugen die elegant schwebenden Knorpelfische den Gönnern einfach von der Handfläche.

Während Skipper Lighthouse nur die augenfälligen Sorgen zerstreut, die Rochen stächen in der Regel nur, wenn sie sich bedroht fühlten, kommt manchem Gast die Erkenntnis: Auf den Bahamas ticken die Uhren zwar anders, aber ein großer Streichelzoo ist auch die exotische Inselwelt der vom Alltag entrückten Exuma-Inseln nicht.